Lima. Der peruanische Präsident Martín Vizcarra hat am gestrigen Montag bei einem Treffen mit Vertretern der wichtigsten Parteien des Landes die Möglichkeit von Neuwahlen im kommenden Jahr diskutiert . Er reagierte damit auf die landesweiten Demonstrationen in der vergangenen, bei denen tausende Peruaner vorgezogene Wahlen eingefordert hatten. Unter dem Motto "¡Que se vayan todos!" ("Verschwindet alle!") war es am Donnerstag in den Straßen der Hauptstadt Lima und in zahlreichen weiteren Städten des Landes zu Protesten gegen das derzeitige Parlament und die Korruption im Land gekommen.
Vizcarra hatte dem Kongress bereits Ende Juli einen Reformvorschlag unterbreitet, durch den die Wahlen von 2021 auf 2020 vorgezogen werden sollten. Damit wollte er der fortwährenden Krise im Land beikommen. Rund um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht hat sich ein Geflecht aus Korruption und Klüngeleien entspannt, in das unter anderem die vier Ex-Präsidenten Ollanta Humala, Alan García, Alejandro Toledo und Pedro Pablo Kuczynski verwickelt sein sollen. Erst letztes Jahr musste Kuczynski sein Amt abtreten, Martín Vizcarra übernahm damals.
Unterdessen sitzt Keiko Fujimori, Tochter des Ex-Diktators Alberto Fujimori und Vorsitzende der Fuerza-Popular-Partei, seit Oktober 2018 im Gefängnis. Ihr wird Geldwäsche bei der Finanzierung ihrer Präsidentschaftskampagne vorgeworfen.
Auch die Justiz ist betroffen: So soll es zu zahlreichen Gefälligkeiten zwischen Justizbeamten und Kongressmitgliedern gekommen sein. Die umfassenden Reformen, die Präsident Vizcarra vorgeschlagen hatte, wurden im Kongress bisher jedoch nur teilweise angenommen oder deutlich verändert. Das liegt vor allem am Kräfteverhältnis im Parlament, in dem die fujimoristische Fuerza-Popular-Fraktion die Mehrheit stellt und Vizcarras Regierung deutlichen Gegenwind entgegenbringt. Auch gegen die jetzige Wahlnovelle sträubt sich die oppositionelle Fraktion. Die Demonstrierenden warfen ihr daher vor, die Debatten zu verzögern und Neuwahlen verhindern zu wollen.
Neben Studierenden, feministischen Kollektiven, Gewerkschaften sowie indigenen und bäuerlichen Delegationen beteiligten sich auch Politiker linker Parteien und von Parteien der politischen Mitte an den Demonstrationen, darunter Frente Amplio, Nuevo Perú und Partido Morado. Die Menschen seien nicht mehr bereit, das Land den Händen der Korrupten, Lobbyisten, und Mafiosi zu überlassen, sagte Verónika Mendoza, ehemalige Präsidentschaftskandidatin und Vorsitzende der linken Nuevo-Perú-Partei, gegenüber der peruanischen Tageszeitung El Comercio. "Wir brauchen eine komplette Erneuerung der Art und Weise, wie Politik gemacht wird, wie der Staat regiert und die Wirtschaft gesteuert wird, für alle Peruaner", so Mendoza.
Das sieht eine Mehrheit der Peruaner offensichtlich ähnlich: Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos im August befürworten 72 Prozent der Bevölkerung die Neuwahlen. Auch Präsident Vizcarra unterstützte die Demonstrationen am Vorabend gegenüber den Medien ausdrücklich und nannte sie "vollkommen gerechtfertigt".