Internationale Frauenkonferenz in Argentinien: So viele Teilnehmerinnen wie noch nie

Plurinationale Konferenz fordert die legale Abtreibung, ein Ende der machistischen Gewalt und die Gleichberechtigung von Minderheiten

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Die Forderung nach sicherer, legaler und kostenfreier Abtreibung war ein zentrales Thema der Konferenz
Die Forderung nach sicherer, legaler und kostenfreier Abtreibung war ein zentrales Thema der Konferenz

La Plata. Fast 200.000 Menschen sind am vergangenen Wochenende nach Angaben von Veranstalterinnen in der argentinischen Stadt La Plata zusammengekommen. Die 34. Ausgabe der Nationalen Frauenkonferenz (Encuentro Nacional de Mujeres) tagte 2019 in der Hauptstadt der Provinz Buenos Aires. Die Organisatorinnen hatten in diesem Jahr mit großem Interesse gerechnet und in 490 Schulen im Umkreis der Stadt Schlafplätze bereit gestellt.

Bei über 87 Workshops und zahlreichen Podien, Gesprächskreisen und kulturellen Veranstaltungen mit Theater, Fotografie, Musik und Lesungen waren die brennenden Themen Sexualität, Arbeit, geschlechtsspezifische Gewalt.

Diskutiert wurde auch die Frage: Wie wirkt sich die aktuelle Wirtschaftskrise auf Frauen aus? Kritik an dem neoliberalen Kurs der Regierung von Mauricio Macri wurde laut, der dem Land einen milliardenschweren Kredit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) unter den bekannten Bedingungen scharfer Austeritätsmaßnahmen verschaffte. Die Armut liegt heute mit über 35 Prozent acht Prozentpunkte höher als noch vor einem Jahr. Für die Wahlen am 27. Oktober wird ein Regierungswechsel erwartet.

Bereits im Vorfeld der Veranstaltung hatten in diesem Jahr auch bekannte konservative Medien wie Clarín und La Nación ausführlich über die Frauenkonferenz berichtet. Ihre Sichtbarkeit hat erheblich zugenommen. Neben den Gründerinnen und Feministinnen der 1980er Jahre sind heute viele junge Argentinierinnen politisch feministisch aktiv. Ihr Wahrzeichen ist das grüne Halstuch der Nationalen Kampagne für die sichere, legale und kostenfreie Abtreibung. So wurden auch während des Demonstrationszugs zum Abschluss der Konferenz am Sonntag, an dem sich nach Schätzungen der Organisatorinnen bis zu 500.000 Menschen beteiligt haben, die Straßen von La Plata in ein Meer aus grünen Tüchern getaucht. Bisher ist der Gesetzentwurf im Senat gescheitert, doch gehen viele Aktivistinnen davon aus, dass die Legalisierung nur eine Frage der Zeit ist. Grund genug für diese Annahme gibt es: Erst Ende September hatte das Parlament im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca den Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche ohne Angabe von Gründen legalisiert.

Ein weiterer zentraler Punkt der Bewegung ist die Umsetzung der "Ganzheitlichen Sexualerziehung" (ESI), wie sie seit 2006 im Gesetz steht, doch längst nicht flächendeckend umgesetzt wird.

Die erste Frauenkonferenz wurde in Argentinien 1986 nach dem Vorbild der Weltfrauenkonferenz in der kenianischen Hauptstadt Nairobi vernanstaltet. Damals versammelten sich rund 1.000 Frauen in Buenos Aires. In jedem Jahr wird die dreitägige Konferenz in einer anderen Stadt ausgerichtet und möglichst autonom, horizontal, plural und demokratisch organisiert. Sie gilt als zentrale Plattform der argentinischen Frauenbewegung für Austausch, Vernetzung sowie die Erarbeitung von konkreten politischen Strategien. Seit mehr als fünf Jahren steigt die Zahl der Teilnehmerinnen von Jahr zu Jahr. Bisher hatte das Treffen im Jahr 2016 in der Hafenstadt Rosario mit über 70.000 Teilnehmerinnen alle Rekorde geschlagen.

Die Ausgabe im Jahr 2019 war nicht nur die größte ihrer Geschichte, sondern definierte auch die Identität der Konferenz neu. Seit Jahren gibt es Kritik an dem nationalen Bezug der Konferenz, da er Frauen indigener Nationen und anderer Bevölkerungsgruppen nicht einschließt. Ihre Kampagne „Somos Plurinacional“ führten die Frauen nun zum Erfolg. Ab sofort ist das Treffen nicht nur plurinational, sondern schließt nicht-binäre Identitäten auch namentlich ein mit „Frauen, Lesben, Transvestiten, Transgender, Bisexuelle und Nicht-Binäre“.

Auf der "Feministischen Versammlung des Abya Yala" ‒ indigener Name für den amerikanischen Kontinent ‒ bestärkten sich indigene Frauen ihrer plurinationalen Identität. Dort sprach unter anderem die Mapuche-Aktivistin Isabel Huala, Mutter des Aktivisten und Lonko (traditionelle Führungspersönlichkeit der Mapuche) Facundo Jones Huala, der in Chile zu neun Jahren Haft verurteilt wurde. Sie forderte seine Freilassung und kämpfe für die „Wiedergewinnung der Ländereien, die seiner Urgroßmutter gehörten“. Weitere Rednerinnen waren die Lehrerin und Menschenrechts-, Frauen- und Umweltaktivistin Lolita Chávez aus Guatemala, die Mapuche und Rapperin Urraca Negra, Naiara Leite für die Bewegung der Schwarzen Frauen in Brasilien und Alessia Dro von der kurdischen Frauenbewegung.

Im Jahr 2020 wird die Plurinationale Frauenkonferenz in San Luis und damit in der westlichen Region Cuyo ausgerichtet.