Brasília. Der ehemalige Präsident Brasiliens, Luiz Inácio Lula da Silva, könnte nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (Superior Tribunal de Justiça, STJ) von vergangener Nacht noch in den nächsten Stunden freigelassen werden. Mit sechs zu fünf Stimmen entschieden die zuständigen Richter, die bisher geltende Rechtsprechung zu ändern, damit Inhaftierte in zweiter Instanz in Freiheit bleiben beziehungsweise in diese entlassen werden können. Ein Angeklagter dürfe nur dann im Gefängnis eine Strafe verbüßen, wenn alle Berufungsmöglichkeiten vor Gericht ausgeschöpft wurden.
Das Urteil betrifft nicht nur Lula, sondern auch fast 5.000 weitere Inhaftierte, die zwar in zweiter Instanz verurteilt wurden, bei denen aber noch nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft wurden und deren Urteile somit noch nicht als endgültig betrachtet werden können. Die Entscheidung des Gerichtshofs bedeutet jedoch weder, dass man unter keinen Umständen verhaftet werden kann, bevor alle Berufungen verhandelt wurden, noch, dass alle in zweiter Instanz Verurteilten automatisch aus dem Gefängnis entlassen werden. Die Verhängung von Untersuchungshaft bleibt grundsätzlich gültig.
Der 74-jährige Lula ist seit dem 7. April 2018 in Curitiba im Süden des Landes im Gefängnis. Er war in einem auch international äußerst umstrittenen Prozess im Zuge der "Lava Jato"-Ermittlungen wegen angeblicher Korruption verurteilt worden.