Aufruf von UN-Kommissarin Bachelet zum Dialog in Venezuela ohne Resonanz

Bericht kritisiert Sicherheitskräfte und US-Sanktionen. Positive Schritte der Regierung betont. Konfliktparteien lehnen Annäherung ab

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Geraten zunehmend in die Kritik und ins Visier der Justiz: FAES-Polizeieinheiten in Venezuela
Geraten zunehmend in die Kritik und ins Visier der Justiz: FAES-Polizeieinheiten in Venezuela

New York/ Caracas. UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet hat die Menschenrechtslage in Venezuela in einem neuen Bericht kritisiert, ein Ende der US-Sanktionen gegen das südamerikanische Land gefordert und die Konfliktparteien im Land zu einer politischen Lösung aufgerufen.

Im Zuge der 42. Sitzung des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen im schweizerischen Genf sagte Bachelet, ihr Büro habe weitere Tötungsdelikte dokumentiert, die von Mitgliedern der polizeilichen Sondereinsatzkräfte (Fuerzas de Acciones Especiales, Faes) begangen worden seien. Allein im vergangenen Juli habe eine Nichtregierungsorganisation 57 neue Fälle von angeblichen Hinrichtungen von Angehörigen der Faes in Caracas ausgemacht, sagte die ehemalige chilenische Präsidentin. Bachelet betonte auch, ihr Büro habe "Fälle von physischer und psychischer Folter und Misshandlung von Menschen dokumentiert, die willkürlich ihrer Freiheit beraubt wurden". Dabei spiele das Militär eine zentrale Rolle.

Trotz dieser neuerlichen Kritik bekräftigte Bachelet auch, dass die Regierung von Präsident Nicolás Maduro 83 Personen freigelassen hat, einschließlich "derjenigen, deren Verhaftung von der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierung als wahllos angesehen wurde".

In ihrem neuen Bericht betonte Bachelet, dass die Sanktionen der US-Regierung unter Präsident Donald Trump gegen Venezuela dazu beitragen, "die humanitäre Situation des Landes zu verschlechtern" und den "Exodus" der Venezolaner zu fördern.

Die UN-Vertreterin warnte davor, dass sich die wirtschaftliche und soziale Situation des Landes "weiter rasch verschärft". Die Wirtschaft "durchläuft die wohl akuteste hyperinflationäre Episode, die Lateinamerika je erlebt hat", heißt es in dem Rapport.

Derzeit entspricht der Mindestlohn in Venezuela rund zwei US-Dollar pro Monat, verglichen mit sieben US-Dollar im Juni, so Bachelet. "Eine Familie muss das Äquivalent von 41 monatlichen Mindestlöhnen erhalten, um den Bedarf an Grundnahrungsmitteln decken zu können", fügte sie an. Die venezolanische Regierung reagiert auf die Engpässe mit massiven Nahrungsmittelsubventionen und Hilfslieferungen, die ihrerseits wiederum Ziel der US-Sanktionen sind.

"Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass die Empfehlungen in meinem Bericht als Leitfaden zur Überwindung der gegenwärtigen Menschenrechtssituation dienen können", schreibt Bachelet. Das von ihr geleitete UN-Gremium werde weiterhin die erforderliche technische Zusammenarbeit und Unterstützung für Institutionen sowie Opfer bereitstellen. Zugleich soll die Menschenrechtslage in Venezuela weiter beobachtet werden.

"Ich wiederhole meinen Appell an die Regierung und die Opposition, ihre Differenzen zu überwinden und Verhandlungen Vorrang einzuräumen", so Bachelet zu der festgefahrenen politischen Situation. Gespräche zwischen Regierung und Opposition seien der einzige Weg, die derzeitige Menschenrechtskrise in Venezuela zu überwinden. "Ich möchte noch einmal meine Bereitschaft zum Ausdruck bringen, und die meines Büros, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes alle Bemühungen zu unterstützen, die zur Überwindung dieser gegenwärtigen Krise beitragen, von der Millionen von Venezolanern betroffen sind", so Bachelet weiter. Sie unterstütze daher den von Norwegen geförderten Dialog wie auch andere entsprechende Initiativen der internationalen Gemeinschaft.

Präsident Maduro hat indes Bedingungen für eine Rückkehr an den Verhandlungstisch gestellt. Dafür müsse die Opposition ihren "Verrat am Vaterland" beenden, sagte der linksgerichtete Politiker am Sonntag. Er warf der Opposition um den selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó vor, Besitzansprüche an die rohstoffreiche Region Esequibo im Nachbarland Guyana zu untergraben. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte aufgrund dieser Vorwürfe ein Ermittlungsverfahren gegen Guaidó eingeleitet.

Maduro forderte die Opposition zu einer klaren Position zur Esequibo-Frage auf. "Es handelt sich um ein Thema von nationalem Interesses", fügte er an. Vizepräsidentin Delcy Rodríguez beklagte einen "offenbar detailliert abgestimmten Plan der Opposition für die Übergabe von Esequibo an transnationale Ölfirmen".

Hintergrund der Affäre ist ein seit mehr als 100 Jahren andauernder Territorialkonflikt um die zum Nachbarland Guayana gehörende Region. Seit dem Jahr 2015 hat der Streit wieder an Schärfe gewonnen. Damals erteilte Guyana dem US-Erdölkonzern Exxon Mobil Förderlizenzen in dem Gebiet.

Der Aufruf Bachelets zum Dialog traf auch auf Oppositionsseite auf wenig Widerhall. Guaidó nahm den Bericht der UN-Funktionärin zum Anlass, seine Anhänger zu neuen Demonstrationen aufzurufen. "Wir unterstützen den Aufruf der Zivilgesellschaft und der Nichtregierungsorganisationen, die sich heute für die Menschenrechte einsetzen", heißt es in einem Tweet. Die geplanten Proteste seien Ausdruck eines ganzen Landes, in dem es täglich Dutzende von Protesten für die gerechte Sache gibt, so Guaidó, der anfügte: "Mobilisierung, Organisation und Einheit sind in diesem Moment entscheidende Faktoren."