Kritische Töne im US-Bericht über Menschenrechte in Kolumbien

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Bewegung der Opfer von Staatsverbrechen: "Schluss mit dem Staatsterror in Kolumbien"
Bewegung der Opfer von Staatsverbrechen: "Schluss mit dem Staatsterror in Kolumbien"

Bogotá/Washington. Der Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums für das Jahr 2020 in Kolumbien hat Tötungen und Übergriffe der Sicherheitskräfte an Zivilist:innen unter der Regierung von Iván Duque aufgezeigt. Der Bericht prangert außerdem die schlechten Lebensbedingungen in den Gefängnissen an und verweist auf die "unzulässige" Überwachung von Bürger:innen durch die kolumbianischen Geheimdienste. Die Morde an Ex-Farc-Kämpfer:innen seien Folge "unzureichender Sicherheitsgarantien", heißt es.

Das 43-seitige Dokument macht auf die "vorsätzliche Tötung" von mindestens 15 Personen durch Staatsbedienstete im letzten Jahr aufmerksam. Der Bericht schildert zum Beispiel den Tod der Kleinbauern Digno Buendía und Salvador Durán im Mai und Juni 2020 durch die Armee. Das Schriftstück legt deren Versuch dar, beide als Mitglieder illegaler bewaffneter Gruppierungen zu präsentieren. Duráns Tötung geschah während der gewaltsamen Zerstörung von Kokafeldern, gegen die lokale Kleinbauern protestierten.

Der Bericht erwähnt ebenso Javier Ordóñez, den zwei Polizisten in Bogotá totprügelten. Sein Tod löste schnell große Aufstände aus, bei denen die Polizei 13 Jugendliche erschossen hat.

Das Dokument bezieht sich auch auf Vorwürfe von Menschenrechtsorganisationen, Opfern und "Ermittlern der Regierung" gegen das Militär wegen "Duldung" oder "Zusammenarbeit" mit kriminellen Banden. Zu diesen bewaffneten Gruppen gehören laut dem Bericht ehemalige Paramilitärs.

Obwohl der unrechtmäßige Eingriff in "die Privatsphäre, Familie, Wohnung und Korrespondenz" per Gesetz in Kolumbien verboten ist, habe die Regierung "diese Verbote nicht respektiert", vermerkt das Dokument. Die Geheimdienste der Regierung hätten Telefongespräche ohne richterliche Verfügung abgehört.

Der Bericht erinnert an die Medienenthüllungen vom Mai letzten Jahres, laut denen Mitglieder des Nachrichtendienstes "in unzulässiger Weise Dossiers über 130 Politiker, Richter, ehemalige Mitglieder des Militärs, Menschenrechtsverteidiger und Journalisten erstellt haben".

Über die Gefängnisse heißt es im Dokument, dass sie "aufgrund von Überbelegung, unzureichenden sanitären Bedingungen und schlechter Gesundheitsversorgung hart und lebensbedrohlich" seien. Darin findet sich ebenfalls der Bericht von Human Rights Watch (HRW) über die 24 toten Insassen des Gefängnisses La Modelo im März 2020. Laut HRW handelte es sich dabei um vorsätzliche Tötungen durch die Wärter der staatlichen Gefängnisbehörde Inpec.

Andere Kritikpunkte im Bericht sind das "langsame Tempo" bei den Ermittlungen zu Morden an Gewerkschaftler:innen, deren hohe Straflosigkeit sowie "die langsame und unzureichende institutionelle Antwort" auf gewaltsame Vertreibung. Bezüglich der Pressefreiheit merkt das Dokument an, dass die Regierung oft die Presse durch große Werbebudgets beeinflusse.

Das Dokument berichtet auch über Menschenrechtsverstöße von illegalen bewaffneten Gruppen, beschäftigt sich aber vor allem mit Schieflagen bei Militär und Polizei. Anders äußert es sich über die Übergangsjustiz JEP. Sie sei "effektiv" gegen Verantwortliche von schweren Menschenrechtsverletzungen vorgegangen. Die US-Behörde hebt dabei die rechtliche Nachverfolgung der außergerichtlichen Hinrichtungen von Zivilist:innen durch das Militär hervor, auch als "Falsos Positivos" bekannt.

Indes steigt die landesweite Gewalt gegen die sozialen Bewegungen sowie gegen Gemeinden in Zonen mit Drogenanbau an. Allein in den letzten acht Tagen haben bewaffnete Männer drei Massaker in den Departamentos Huila, Quindío und Cauca begangen. Dabei starben jeweils drei, vier und weitere vier Einheimische. In den Zonen der Massaker sind kriminelle Drogenstrukturen aktiv.

Auch drei Sozialaktive aus indigenen und Kleinbauer:innengemeinden sind in La Guajira, Antioquia und Cauca seit letzter Woche ermordet worden. Damit sind es bereits 26 Massaker und 44 gezielte Morde an Sozialaktiven in diesem Jahr, informiert die Menschenrechtsorganisation Indepaz.

In Bezug auf die Morde in Cauca verkündet die indigene Gemeindeorganisation Acin ihre Sorge um die "starke Militarisierung der Region durch alle Kriegsakteure". In einem Kommuniqué kritisiert sie die "kriegshetzerische Haltung" der Regierung Duque, die "immer noch nicht merkt, dass die Militarisierung des Territoriums nichts bringt, ohne die grundlegende soziale und ökonomische Situation des Landes zu ändern".

Ihre "indigene Intuition" verweise auf eine mögliche Nähe zwischen den Kriegsakteuren, heißt es in dem Kommuniqué. Nur so könne sich die Acin "die ungetrübte Bewegung des Drogenhandels, der Waffen und des Bergbaus in unserem Territorium" erklären, nämlich "ohne jegliche Kontrolle".