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Präsident Castillo will Peru "von unten nach oben" neu aufbauen

Antrittsrede setzt Akzente: Keine Wirtschaftsprojekte ohne sozialen Nutzen, Kampf gegen Missbrauch von Monopolen und die Korruption, Gesundheit und Bildung als Grundrechte

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Pedro Castillo bei seiner Rede an die Nation
Pedro Castillo bei seiner Rede an die Nation

Lima. 200 Jahre nach der Unabhängigkeit Perus von Spanien hat Pedro Castillo als erster Präsident aus der ländlichen Bevölkerung sein Amt angetreten. Er kündigte an, die peruanische Verfassung im Rahmen des Gesetzes und mit Zustimmung des Kongresses zu erneuern.

Fast zwei Monate nachdem er die Stichwahlen gegen Keiko Fujimori gewonnen hatte, vereidigte die Parlamentspräsidentin María del Carmen Alva ihn. Neben einigen Politiker:innen und Präsidenten Lateinamerikas war auch der spanische König bei der Zeremonie anwesend. In der "Botschaft an die Nation" richtete sich der linke Präsident mit einer Rede von rund einer Stunde an das Volk und erklärte die Vorhaben und Leitlinien seiner Politik bis 2026.

Castillo begrüßte die anwesenden Politiker:innen und benannte auch die indigenen Bevölkerungsgruppen und die Afro-Peruaner:innen. Er begann seine Ansprache mit einem Rückblick auf die Geschichte der Nation, wobei er koloniale Verhältnisse kritisierte. Er erinnerte an die Eroberung durch die Spanier, die jahrhundertelange Ausbeutung und "das vom Vizekönigreich auferlegte Rassenregime", das mit Sklaverei und Gewalt über die indigene und afro-peruanische Bevölkerung herrschte.

"Mit der Niederlage des Inkareichs begann die Kolonialzeit. Damals und mit der Gründung des Vizekönigreichs wurden die bis heute bestehenden Kasten und Unterschiede geschaffen. In den drei Jahrhunderten, in denen dieses Gebiet der spanischen Krone gehörte, konnte sie die Bodenschätze ausbeuten, die die Entwicklung Europas vor allem durch die Arbeit der Vorfahren von vielen von uns ermöglichten."

Weiter erinnert er an den Staatsstreich von 1992, "der den Grundstein für eine Beschneidung der Rechte, eine Schwächung des Staates und für die noch heute geltenden Regeln legte". Damit erinnerte er, ohne den Namen zu nennen, an Diktator Alberto Fujimori, den Vater seiner Wahlkampfgegnerin, und begründete sein Vorhaben der Verfassungsänderung. Er wolle "mit dem und für das Volk regieren, um Peru von unten nach oben aufzubauen" und betonte seine Position als einfacher Lehrer aus einer benachteiligten und vergessenen Andenregion.

Im weiteren Verlauf seiner Rede widmete er sich der Gesundheit und dem Kampf gegen die Pandemie, der Wirtschaft und dem Kampf gegen die Korruption, dem Ausbau des Bildungssystems, besonders in ländlichen Regionen, den Themen Landwirtschaft, Bergbau und Klimawandel, dem Schutz von Frauen und Kindern, sowie dem Ausbau der Infrastruktur im Landesinneren.

Castillo sprach sich für ein Impfangebot für alle Peruaner:innen in kürzester Zeit aus und möchte weitere Krankenhäuser bauen. "Gesundheit ist ein Grundrecht, das der Staat garantieren muss. Die körperliche und geistige Gesundheit wird die erste Priorität der Regierung sein. Wir werden ein universelles, einheitliches, kostenloses, dezentralisiertes und partizipatives Gesundheitssystem schaffen". Der Zentralismus habe Millionen Peruaner:innen gezwungen, für eine ärztliche Behandlung nach Lima zu reisen.

Das Land brauche "dringend die Wiederherstellung von Arbeitsplätzen und Familieneinkommen". Die Wirtschaft müsse geordnet und berechenbar bleiben, "was die Grundlage für Investitionsentscheidungen ist". Das durch Arbeit und legal erworbene Eigentum werde vom Staat garantiert, so der neue Präsident.

Er werde sich gegen den Missbrauch von Monopolen und gegen Korruption einsetzen, bekräftigte Castillo. In den vergangenen Jahren waren Politik und Großkonzerne immer wieder in Korruptionsfälle verstrickt, woraufhin, wie Castillo betonte, mehrere Beamte und drei ehemalige Präsidenten, aber keine Wirtschaftsvertreter inhaftiert wurden. Laut Rechnungsprüfungsamt würden jährlich mehr als 20 Milliarden Soles (rund 2,57 Milliarden Euro) veruntreut, "so viel wie die gesamten öffentlichen Ausgaben für das Gesundheitswesen im Jahr 2021 oder zwei Drittel der öffentlichen Ausgaben für den Bildungssektor in diesem Jahr."

Dem öffentlichen Bildungssystem erklärte Castillo den "Notstand". Er werde alles tun, um die Ungleichheiten im Bildungssystem zu beenden und alle Schulen mit einem Internetanschluss auszustatten.

Castillo sprach sich für Regeln für die Minen in den peruanischen Anden aus und schloss auch die Einstellung von Berbauprojekten nicht aus. Seine Regierung werde Industrien unter sozialen Gesichtspunkten fördern: "Wenn ein Projekt keinen sozialen Nutzen hat, wird es einfach nicht durchgeführt." Die Emissionen sollen verringert werden und Peru 2050 klimaneutral sein.

Er kündigte zudem den Bau von zwei neuen Eisenbahnstrecken im Landesinneren und an der Küste an, um die lokalen Märkte und den Tourismus zu verbinden.

Für Fragen und Kritik sorgte indes Castillos Äußerung, dass "junge Menschen, die weder studieren noch arbeiten, zum Militärdienst müssen". In seinen weiteren Ausführungen über eine "neue Rolle der Streitkräfte", die sich künftig an der Durchführung von Entwicklungs- und Infrastrukturprojekten beteiligen sollen, sagte er jedoch, dass der seit dem Jahr 2000 "freiwillige Militärdienst mit dem Programm 'Tritt ein, um deinem Land zu dienen und dich auf die Zukunft vorzubereiten' gefördert werden soll", was im Widerspruch zur Einführung einer Wehrpflicht steht.

Beim Schutz von Frauen und Kindern sollen eine kostenlose Rehabilitation für Opfer von sexuellen Übergriffen und höhere Strafen für Sexualstraftäter und Gewaltverbrechen eingeführt werden.

Der Präsident betonte abschließend, "mit kolonialen Symbolen brechen zu wollen". Er werde nicht aus dem Regierungssitz "Casa de Pizarro" am zentralen Plaza de Armas in Lima regieren, das von dem blutigen spanischen Eroberer und Tyrannen von Peru, Francisco Pizarro, 1535 erbaut worden war. "Der Präsidentenpalast soll Sitz für das neue Ministerium für Kulturen werden und als Museum für die vielfältigen peruanischen, indigenen und afro-peruanischen Kulturen dienen."

Eine zweite Zeremonie zur Amtseinführung fand in der Andenstadt Ayacucho auf dem Quinoa-Feld statt, wo Peru vor 200 Jahren die entscheidende Schlacht im Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien gewonnen hatte.