Kuba / Politik

Justiz von Kuba informiert über Strafverfahren nach Protesten

Erste Fälle vor den Gerichten. AI kritisiert Rechtsverletzungen und beruft sich auf fragwürdige Quelle

kuba_proteste_verfahren.jpg

Derzeit laufen auf Kuba Verfahren gegen Beteiligte an den teils gewaltsamen Protesten im Juli
Derzeit laufen auf Kuba Verfahren gegen Beteiligte an den teils gewaltsamen Protesten im Juli

Havanna. Gerichte der unteren Instanzen haben erste Urteile wegen Straftaten im Zusammenhang der Proteste in mehreren Städten Kubas am 11. Juli und an den folgenden Tagen gesprochen. In die Zuständigkeit der Amtsgerichte fallen dabei die Vergehen, die mit Freiheitsentzug bis zu einem Jahr oder Geldstrafen belegt werden können. Die Ermittlungen zu den schwersten Straftaten während der Unruhen dauerten noch an. Dies berichtete der Richter am Obersten Gerichtshof (TSP) des Landes, Joselín Sánchez Hidalgo.

"Die Prozesse, in denen die aggressivsten, gewalttätigsten und schädlichsten Handlungen untersucht werden, sind noch nicht bei den Gerichten angekommen". Bei bisher 67 Angeklagten handele es sich vorwiegend um Vorwürfe der Störung der öffentlichen Ordnung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Sachbeschädigung, erklärte der Richter.

Sánchez erinnerte daran, dass die kubanische Strafprozessordnung für die Beschuldigten Rechtsgarantien vorsieht, die eingehalten werden müssen und von den Gerichten beachtet würden, darunter das Recht, dass Beweise sowohl durch die Anklage als auch durch den Angeklagten eingebracht werden könnten. Angeklagte hätten das Recht mit einem Anwalt ihrer Wahl zu erscheinen, auszusagen oder sich der Aussage zu enthalten, sowie das Recht, Rechtsmittel bis hin zur Berufung einzulegen.

Das Strafmündigkeitsalter beginnt in Kuba mit 16 Jahren, in Deutschland beispielsweise mit 14 Jahren. Für Minderjährige unter 18 Jahren sieht das Gesetz in Kuba besondere Verfahren zu ihrem Schutz vor.

Bei den bisherigen Verfahren sei einer der Angeklagten freigesprochen worden, 45 legten Berufung ein, weil sie mit den verhängten Strafen nicht einverstanden waren oder ihr Verhalten nicht als Straftat ansahen.

Laut der leitenden Staatsanwältin der Strafverfolgungsbehörde, Lisnay María Mederos Torres, werden die Ermittlungsverfahren zu den gravierendsten Vorkommnissen, bei denen Gewalttaten gegen Personen, Behörden und Eigentum verfolgt werden und Maßnahmen wie Kaution, Hausarrest und vorläufige Festnahme angeordnet wurden, noch bearbeitet.

Sie betonte, dass für Kuba wie für jedes andere Land unter den erschwerten Bedingungen durch die Pandemie es notwendig sei, die Ermittlungen auszuschöpfen, um auch die Förderung, Organisation, Finanzierung und Leitung der Ereignisse zu ermitteln. Diese seien sowohl von innerhalb des Landes wie auch vom Ausland ausgegangen und hätten darauf abgezielt, "die innere Ordnung zu stören und das Land zu destabilisieren".

Indes hat Amnesty International (AI) sechs Teilnehmende an den Protesten am 11. Juli als "Gewissensgefangene" gelistet. Als Reaktion auf die Proteste vom 11. Juli seien die kubanischen Behörden "gegen Andersdenkende" vorgegangen, urteilte Erika Guevara-Rosas, Amerika-Direktorin bei Amnesty International.

"Wir haben sechs Personen zu Gewissensgefangenen ernannt - als symbolische Geste für die vielen Hundert anderen, die diese Bezeichnung wahrscheinlich verdienen - und fordern ihre sofortige und bedingungslose Freilassung", so die AI-Vertreterin.

cubalex.jpeg

Wird von der US-Regierung finanziert und verbreitet nicht-belegbare Zahlen über "Verhaftete/Verschwundene": Cubalex
Wird von der US-Regierung finanziert und verbreitet nicht-belegbare Zahlen über "Verhaftete/Verschwundene": Cubalex

Damit verbundene Vorwürfe an die kubanischen Behörden, bei den Protesten "Hunderte von Menschen willkürlich festgenommen (zu haben), weil sie im Zusammenhang mit den Protesten vom 11. Juli ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und weitgehend friedliche Versammlung wahrgenommen haben", begründet AI mit Angaben der Nichtregierungsorganisation Cubalex. Die NGO agiert von den USA aus und wird von der National Endowment for Democracy (NED) finanziert. Die vom US-Kongress geschaffene NED wiederum erhält ihre Gelder aus dem US-Bundeshaushalt.

Kuba würde Handlungen als Straftaten verfolgen, die "nicht mit internationalen Standards vereinbar" seien, so AI weiter und gibt als Beispiel "Störung der öffentlichen Ordnung" an.

Dies hält einer Überprüfung allerdings nicht stand. Tatsächlich kennt auch das deutsche Strafrecht strafwürdige Handlungen wie Straftaten gegen die öffentliche Ordnung, Störung des öffentlichen Friedens, Landfriedensbruch, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Volksverhetzung oder Aufruf zu Straftaten. In allen europäischen Ländern können auf dieser Grundlage vorgenommene Massenfestnahmen auf Demonstrationen und spätere Gerichtsverfahren beobachtet werden.

Für die jüngsten Proteste auf Kuba liegen indes keine offiziellen Zahlen über die dabei festgenommenen Personen vor.

Eine Reuters-Meldung nannte kurz nach den Protesten etwa 200 Festnahmen. Cubalex will rund 500 Personen gelistet haben.

Die NGO spricht auch bis heute von "Verschwundenen". Im Internet kursierten Listen von angeblich Betroffenen. Kubas Regierung wies diese Vorwürfe zurück. Recherchen ergaben, dass es sich nicht um seriöse Angaben handelte. Ein Vertreter des bundesdeutschen Goethe-Instituts in Havanna sagte gegenüber der Zeitung "Neues Deutschland", man habe "eine Liste der US-Tageszeitung Miami Herald abtelefoniert", und dabei "mehrere der angeblich Verschwundenen am selben Tag in ihren Büros und Wohnungen kontaktiert".