Präsident von Venezuela: Jeden 12. Oktober feiert Spanien den Völkermord in Lateinamerika

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Am 14. Oktober schickte Venezuelas Präsident Maduro den Brief an "Señor Felipe de Borbón"
Am 14. Oktober schickte Venezuelas Präsident Maduro den Brief an "Señor Felipe de Borbón"

Caracas. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hat in einem offenen Brief an das spanische Staatsoberhaupt König Felipe VI. die Begehung des Nationalfeiertags am 12. Oktober scharf kritisiert. Zudem plädiert er für die Einsetzung einer Wahrheitskommission über die europäische Besetzung Amerikas, "um die Kämpfe der indigenen Völker und die Verbrechen der Kolonialisierung anzuerkennen".

In Spanien ist der 12. Oktober, der Tag der Ankunft von Christoph Kolumbus in Amerika, seit 1918 Nationalfeiertag und wird seit den 1920er Jahren als "Tag der Hispanität" oder auch als "Kolumbus-Tag" begangen.

"Es ist inakzeptabel, dass eine Nation, die sich damit brüstet, zivilisiert zu sein, noch im 21. Jahrhundert das Schlimmste aus ihrer Vergangenheit ehrt: den Diebstahl, die Plünderung, den Rassismus und die Hassverbrechen, die während der mehr als dreihundertjährigen Besatzung durch das spanische Imperium" in Lateinamerika begangen wurden, betonte der Präsident.

Die Feier dieses Tages in Spanien könne "von den Ländern, die sich der Invasion widersetzt haben, nur als Rechtfertigung und Bekräftigung eines atavistischsten Rassismus verstanden werden", schreibt Maduro in dem zehnseitigen Brief vom 14. Oktober, den er auf seinem Twitter-Account veröffentlichte.

Die Eroberung Amerikas sei ein Völkermord und Ethnozid und stelle "die schrecklichste physische und symbolische Vernichtung ganzer Völker in der Geschichte der Menschheit" dar. Die Konquistador hätten einen ganzen Kontinent entvölkert, "der von 70 bis 90 Millionen Menschen mit ihren Kulturen, politischen Systemen, Sprachen, Wissenschaften, Religionen und Institutionen bewohnt wurde, die der Eroberer nie in der Lage war zu respektieren", heißt es in dem Brief weiter.

Noch immer werde in Spanien voller Arroganz vom "hispanischen Zivilisationsprojekt" gesprochen.

Europa müsse anerkennen, "dass seine Modernität und sein schwindelerregendes industrielles, kommerzielles und finanzielles Wachstum, das heißt, der Aufstieg des westlichen Kapitalismus, auf einem Verbrechen gegen die Menschheit an den Völkern Lateinamerikas und Afrikas und auf der materiellen Enteignung ihrer Reichtümer gründet", die am 12. Oktober 1492 begann. Das sei wissenschaftlich und durch Zeugenaussagen nachweisbar.

Jetzt, im 21. Jahrhundert, müsse eine Wahrheitskommission über die europäische Besetzung Amerikas eingerichtet werden.

Nur die Wahrheit, "als historische Akzeptanz, nur die wiedergewonnene Erinnerung, nur die Anerkennung dieses schwerwiegenden Verbrechens und auch die Anerkennung des Kampfes und der Würde der Großeltern der Großeltern unserer Großeltern" könne eine "reale Geschwisterlichkeit" wiederherstellen.

Eine von der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (Celac) geleitete Wahrheitskommission, bestehend unter anderen aus Schamanen, Anthropologen, Archäologen, Menschenrechtsaktivisten, Juristen, Intellektuellen und Vertretern verschiedener Religionen solle dazu beitragen, "die Ereignisse angemessen zu behandeln, sie zu akzeptieren, sie wiedergutzumachen und in die gemeinsame Geschichte aufzunehmen“, schreibt Maduro abschließend.

Einen entsprechenden Vorschlag wird Venezuelas Regierung dem derzeitigen Celac-Vorsitzenden, Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador vorlegen.