Menschenrechtler besorgt: Peru setzt Armee zur Verbrechensbekämpfung ein

Regierung verordnet einmonatigen Sicherheitsnotstand für Hauptstadt-Region. Innenminister muss nach Verstoß gegen eigene Corona-Regeln zurücktreten

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Das Militär (hier Vertreter mit Präsident Castillo) soll für 30 Tage die Polizei in Lima unterstützen
Das Militär (hier Vertreter mit Präsident Castillo) soll für 30 Tage die Polizei in Lima unterstützen

Lima/Callao. In der peruanischen Hauptstadt Lima und der angrenzenden Hafenstadt Callao sollen die Streitkräfte die Polizei im Einsatz gegen das Verbrechen unterstützen. Diese Maßnahme verabschiedete die Regierung von Präsident Pedro Castillo am Dienstag in einer offiziellen Verordnung. Damit solle dem mit der Reaktivierung der Wirtschaft einhergehenden Anstieg der Kriminalität entgegnet werden. Menschenrechtsexperten reagieren besorgt.

Die Verordnung, die nur für 30 Tage gültig sein wird, erlaubt es der Armee unter der Leitung der nationalen Polizei auch Waffengewalt zur Verbrechensbekämpfung einzusetzen. Dabei betont der Wortlaut der Verordnung, dass dies keine "Einschränkung, Aufhebung oder Beeinträchtigung der verfassungsrechtlichen Grundrechte" bedeute.

Menschenrechtsorganisationen überzeugt das nicht. "Die Soldaten sind für den Krieg ausgebildet, nicht für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung", erklärte der Amerika-Direktor von Human Rights Watch als Reaktion auf die Strategie der Regierung. Der Einsatz des Militärs im Inneren, meist zur Repression von Anti-Bergbau-Protesten, hatte im Andenstaat in den letzten Jahren immer wieder Todesopfer zur Folge.

Kritik kam selbst vom ultrarechten Parlamentarier und Ex-Admiral Jorge Montoya, der den Einsatz der Streitkräfte für einen "falschen Ansatz" hält.

Die Präsidentin des Verfassungsgerichts, Elvia Barrios, hingegen unterstützt das Vorgehen der Regierung und erinnerte an die "essentielle Arbeit [der Streitkräfte] in der Pandemie". 2020 war das Militär zur Durchsetzung der strikten Lockdown-Maßnahmen landesweit eingesetzt worden.

Begründet wurde die Verordnung mit einem Anstieg der Kriminalität, insbesondere von Auftragsmorden im Rahmen von Bandenkriegen. Alleine bis Mai dieses Jahres seien 114 solcher Taten in Lima verübt worden. Auch Raubüberfälle und Drogendelikte nahmen deutlich zu, seitdem die Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung von Covid-19 nach und nach aufgehoben wurden.

Derweil musste der für die nationale Sicherheit zuständige Innenminister, Luis Barrenzuela, zurücktreten. Dieser hatte aus Gründen der Pandemiebekämpfung kurzfristig jegliche Veranstaltungen zum 31. Oktober verboten. In Peru ist der Tag nicht nur als "Halloween" bekannt, sondern zugleich ein Tag zur Feier der nationalen Musikkultur, an dem traditionell viele Konzerte stattfinden. Auch für den 1. November, ein Tag, an dem sich in Peru gewöhnlich Familien versammeln, um ihren Toten zu gedenken, wurden jegliche Treffen zwischen mehreren Haushalten verboten sowie Friedhöfe geschlossen.

Die Entscheidung sorgte allgemein für Unmut, da sich die Pandemie aufgrund einer erfolgreichen Impfkampagne im Andenstaat momentan auf einem niedrigen Stand befindet und die Veranstaltungsbranche gerade erst langsam wieder reaktiviert wird. Darüber hinaus befürchteten Experten, dass offizielle Veranstaltungen mit Hygiene-Konzepten so durch klandestine Feiern ersetzt würden.

So geschah es dann auch ausgerechnet im Haus des Ministers selbst. Nachdem Medien über den Zwischenfall einer Polizeiintervention bei einer illegalen Veranstaltung mit lauter Musik und zahlreichen Gästen in seinem Domizil berichtet hatten, verteidigte sich Barrenzuela und erklärte, es habe sich lediglich um ein "Arbeitstreffen" gehandelt. Premierministerin Mirtha Vásquez forderte daraufhin Konsequenzen aus dem Vorfall.

Auf ihr Geheiß zwang Präsident Castillo seinen Innenminister am Dienstagabend zum Rücktritt. Sein Nachfolger wird Avelino Guillén, ehemaliger Chefankläger im Prozess gegen den autoritären Ex-Präsidenten Alberto Fujimori 2009.