Brasilien / Politik

Lula da Silva in Berlin und Bolsonaro mit neuer Partei: Brasilien im Wahlkampf

Lula sondiert in Europa Allianzen für eine Post-Bolsonaro-Ära. Nach weiterem Umfragetief sucht Bolsonaro die Allianz mit den Liberalen

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Gemeinsam gegen Rechtsruck: am Freitag diskutierten Lula da Silva (PT), Gregor Gysi (LINKE) und Heinz Bierbaum (Europäische Linke) in Berlin Wege zur Abwahl Bolsonaros
Gemeinsam gegen Rechtsruck: am Freitag diskutierten Lula da Silva (PT), Gregor Gysi (LINKE) und Heinz Bierbaum (Europäische Linke) in Berlin Wege zur Abwahl Bolsonaros

Berlin/Brasília. Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva ist zu einer Europa-Tour aufgebrochen, um alte Bündnisse mit Gewerkschaften und sozialdemokratischen Parteien wiederzubeleben. Zum Auftakt traf er sich gestern in Berlin mit dem LINKE-Politiker Gregor Gysi sowie dem Vorsitzenden der Links-Parteien im EU-Parlament, Heinz Bierbaum, um gemeinsame Positionen in der Lohnpolitik und Wege gegen Jugendarbeitslosigkeit zu sondieren. Ziel sei es auch gewesen, internationale Allianzen für eine Post-Bolsonaro-Ära zu schmieden.

Bereits am Donnerstag war der frühere Metallgewerkschafter Lula mit führenden deutschen Gewerkschafter:innen zusammengekommen. Bei dem Treffen sei es "um die Herausforderungen der Organisation von Beschäftigten in Brasilien und auf der Welt" gegangen, erklärte Lula anschließend ohne weitere Details zu nennen. Den Präsidentschaftskandidaten der linksgerichteten Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores, PT) verbinden mit deutschen Gewerkschafter:innen gemeinsame Kämpfe in seiner Zeit als Chef der brasilianischen Metallarbeitergewerkschaft und bedeutender Streikführer der 1980er Jahre in den Werken deutscher Automobilhersteller in São Paulo. Bei dem Treffen am Donnerstag begegnete er DGB-Chef Reiner Hoffmann, dem Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, Ver.di-Chef Frank Werneke und IGM-Vizechefin Christiane Benner.

Nach dem Wahlerfolg der SPD in Deutschland und einem derzeit wahrscheinlichen Wahlsieg Lulas im Oktober 2022 arbeitet der brasilianische Sozialdemokrat bereits an der Wiederherstellung alter Beziehungen, um das zerrüttete Verhältnis zwischen Brasilien und anderen Ländern nach vier Jahren Regierung unter dem Rechten Präsidenten, Jair Bolsonaro, wiederherzustellen und die zunehmende internationale Isolation Brasiliens zu beenden.

Insofern stand auch ein Treffen mit dem früheren SPD-Kanzlerkandidaten und Lula-Vertrauten, Martin Schulz, auf der Agenda. Schulz hatte Lula während dessen Haft im Jahr 2018 im Gefängnis besucht und war stets für dessen Freilassung eingetreten. Am kommenden Montag wird Lula zu einer Debatte im EU-Parlament sowie zu Gesprächen mit Anführer:innen sozialdemokratischer Parteien Europas erwartet, bevor er zu weiteren Treffen mit linken Politiker:innen nach Frankreich und Spanien weiterreist.

Tatsächlich hat Lula laut einer jüngsten Umfrage sehr gute Chancen bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2022 im ersten Anlauf gewählt zu werden. Aktuell würden ihn 48 Prozent wählen, ergab eine Befragung im Auftrag von CNN. Bolsonaro erreicht nur noch 22 Prozent. Sollte der große Block der Zentrumsparteien demnächst wie angekündigt eine:n eigene:n Kandidat:in ins Rennen schicken, könnte dies dem amtierenden Präsidenten weitere Stimmen kosten.

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Der bisher parteilose Präsident Jair Bolsonaro ist unter das Dach der Liberalen Partei gegangen.
Der bisher parteilose Präsident Jair Bolsonaro ist unter das Dach der Liberalen Partei gegangen.

Von einer Niederlage bedroht sucht indes der parteilose Bolsonaro Unterstützung bei anderen Parteien. Am Mittwoch verkündete er den Eintritt in die Liberale Partei (Partido Liberal, PL). Die reaktionär-neoliberal ausgerichtete PL stellt nach Bolsonaros früherer Partei PSL und der linken PT die drittgrößte Fraktion im Parlament. Ein Fraktionsmitglied begrüßte den Eintritt des Staatsoberhauptes: "Der Deal ist gut für beide Seiten". Bolsonaro werde im Wahlkampf auf einen breiten Parteiapparat zurückgreifen können. Um bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr überhaupt in die Stichwahl zu kommen, muss Bolsonaro in den rechten Rand des politischen Zentrums ausstrahlen. Die PL könnte ihm bei der Wiederannäherung an das bürgerliche Lager helfen. Die PL hingegen erwartet nun einen Zuzug von Abgeordneten anderer Fraktionen, die loyal zu Bolsonaro stehen und die PL zur größten Fraktion machen könnten.

In der über 30-jährigen Tätigkeit als Abgeordneter gehörte Bolsonaro bereits neun anderen Parteien an, die er wegen Kämpfen um Posten und der politischen Ausrichtung verließ. Bolsonaro hatte nach seinem Wahlsieg 2018 über die Liste der rechtsaußen-Partei PSL diese im November 2019 nach Machtkämpfen und Korruptionsvorwürfen verlassen. Um erneut für das Präsidentschaftsamt kandidieren zu können, muss er einer Partei angehören, die ihn unterstützt. Die Liberale Partei stand vor wenigen Jahren im Fokus, weil gegen ihre Abgeordneten die meisten Verfahren zur Mandatsenthebung wegen Korruption liefen.