Majaguas. Kleinproduzenten haben die Zuckerrohrmühle Santa Elena in Majaguas im venezolanischen Bundesstaat Portuguesa besetzt. In einem Video vom 16. September hatten sie dies als "ersten Schritt zur Rettung der Anlage" angekündigt.
"Die Zuckerrohrproduzenten sind hier und übernehmen die Mühle, die ruiniert worden ist. Wir haben eine Ernte zu verarbeiten und brauchen Antworten", sagte Blondy Sangronis, Sprecherin des örtlichen Bauernverbandes, der zur Bolivarischen Konföderation der Zuckerrohrbäuerinnen und -bauern ( Concaboven) gehört.
Die Mühle Santa Elena war eine von mehreren staatlichen Betrieben, deren Management 2019 im Rahmen des Modells einer "strategischen Allianz" an den Privatsektor überführt wurde. Damals übertrug die Regierung von Präsident Nicolás Maduro eine Reihe Staatsfirmen an die Regionalregierungen, die dann Konzessionen an private Geschäftsleute vergaben. Das Werk in Majaguas wird seitdem vom Unternehmen Agrologística del Llano verwaltet, das dem mächtigen lokalen Geschäftsmann und Landbesitzer Generoso Mazzocca gehört.
Sangronis erklärt, dass das neue Management die Mühle ruiniert habe: Im Jahr 2020 wurden lediglich 13.000 Tonnen Zuckerrohr verarbeitet, nicht einmal zehn Prozent der Menge im Vorjahr (168.000 Tonnen) unter dem Management der staatlichen venezolanischen Zuckergesellschaft. Die Anlage hat eine Verarbeitungskapazität von rund zwei Millionen Tonnen im Jahr.
Die Mühle war 2010 vom damaligen Präsidenten Hugo Chávez nationalisiert worden. Dem früheren Eigentümer wurden Hortungen und andere Unregelmäßigkeiten vorgeworfen. Die Regierung Chávez brachte zahlreiche Unternehmen unter staatliche Kontrolle, darunter mehrere Zuckerraffinerien.
Der größte Teil der diesjährigen Ernte kann laut Sangronis nicht vermahlen werden. Manche Bauern brächten ihre Ernte zu einer Anlage in 30 Kilometern Entfernung, jedoch sei die Dieselknappheit ein weiteres Problem.
Das aktuelle Szenario sei "kritisch und drängend", da 800 Familien in drei Gemeinden und die lokale Wirtschaft von der Zuckerrohrproduktion abhängig sind, führt die Sprecherin aus. Seit die Mühle in Privatbesitz übergeben wurde, seien Viele gezwungen gewesen, auf den Anbau anderer Nahrungsmittel auszuweichen oder das Land ganz zu verlassen.
Die Situation könnte sich indes bald ändern. Laut Sangronis will die Regierung Maduro dem Unternehmen Agrologística del Llano die Konzession für die Mühle entziehen, jedoch weigere sich der Gouverneur, dies umzusetzen.
“Wir verstehen nicht, wie ein Magnat, der nicht einmal die Schulden vom vergangenen Jahr beglichen hat, weiterhin Schutz genießen kann", kritisiert sie. Auch habe es vor der Übertragung des Managements keine Bestandsaufnahme der Vermögenswerte der Fabrik gegeben.
In Santa Elena waren die Zuckerrohrproduzenten nicht die einzigen Betroffenen: Mazzoccas Unternehmen entließ nach der Übernahme von Agrícola Yaracuy über 450 Arbeiter. Agrícola Yaracuy ist ein 4.000 Hektar großes Landgut, das an die Mühle angeschlossen ist um sie zu beliefern. Die Arbeiter sind jedoch auf dem Land geblieben und bauen dort Lebensmittel an. "Die Genossen kämpfen und brauchen ebenfalls Antworten", sagt Sangronis mit Blick auf die Zuteilung von Landtiteln.
Im Zuckersektor gibt es mindestens zwei weitere Fabriken, in denen sich Bauernorganisationen und Gewerkschaften gegen das neue Management stellen.
In der Pío Tamayo-Mühle (Lara) organisieren die Arbeiter Proteste und fordern, dass das Veinca-Konsortium sich an die Vereinbarungen hält. In Cumanacoa (Sucre) haben sich kommunale Organisationen den Zuckerrohrbauern angeschlossen, um von der Regierung Antworten zu verlangen, nachdem das Unternehmen TecnoAgro seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.
Der Verband der Zuckerproduzenten beteilige sich an den Bemühungen, ein sofortiges Handeln der Regierung zu erreichen, so Sangronis. Sie erinnerte daran, dass Maduro im August die Wiederherstellung der Zuckerproduktion anmahnte. "Wir werden tun, was immer notwendig ist", versicherte er.
"Wir bleiben dem sozialistischen Projekt von Chávez voll und ganz verpflichtet und vertrauen darauf, dass die Regierung die Dinge regelt", sagt Sangronis.
Verbände der Zuckerrohrproduzenten haben Berichten zufolge unlängst Treffen mit Kommissionen der Nationalversammlung und der Vizepräsidentschaft abgehalten.
"Selbst wenn ein Privatinvestor benötigt wird, müssen die Menschen, die produzieren, beteiligt werden. Wir wollen diese Mühle retten", betont Sangronis.
Sie fordert die Regierung auf, die kleine und mittlere Zuckerrohrproduktion zu fördern, denn diese erhalte nur sehr wenig Unterstützung und sei gezwungen, mit importiertem Zucker zu konkurrieren.