Ukraine-Krieg: Kritik in Lateinamerika an Ausschluss Russlands aus Menschenrechtsrat

Mexikos Präsident sieht Möglichkeiten für Einigung zur Beendigung des Krieges gefährdet. Kuba beklagt Politisierung von Menschenrechtsfragen

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Drei lateinamerikanische Staaten stimmten gegen die von den USA eingebrachte Resolution, zehn enthielten sich
Drei lateinamerikanische Staaten stimmten gegen die von den USA eingebrachte Resolution, zehn enthielten sich

New York. Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador hat den Ausschluss Russlands aus dem UN-Menschenrechtsrat als Untergrabung der Chancen für eine Beendigung des Krieges kritisiert. Kuba verurteilte das "US-Manöver" und prangerte die "Politisierung, die Doppelmoral und die Selektivität" bei der Behandlung von Menschenrechtsfragen an.

Die von den USA und Großbritannien eingebrachte Resolution folgte auf Vorwürfe gegen das russische Militär, in der ukrainischen Stadt Butcha eine große Anzahl von Zivilisten getötet zu haben. Die Beschuldigungen hat Moskau wiederholt als "Erfindung" der Ukraine zurückgewiesen. Eine unabhängige Untersuchung der Ereignisse steht noch aus.

Die Resolution wurde von 93 Staaten unterstützt, 24 stimmten dagegen, 58 enthielten sich. Mehrere Delegationen kritisierten, dass der Text nicht zuvor mit den Mitgliedstaaten erörtert wurde, berichtet die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina.

Von den lateinamerikanischen Ländern stimmten Kuba, Bolivien und Nicaragua dagegen. Barbados, Belize, Brasilien, El Salvador, Guyana, Mexiko, Saint Kitts und Nevis, Saint Vincent und die Grenadinen, Suriname, Trinidad und Tobago enthielten sich. Venezuela, das derzeit wegen nicht bezahlter Beiträge nicht an Abstimmungen teilnehmen kann, sprach sich ebenfalls gegen den Ausschluss der Russischen Föderation aus.

Mexikos Präsident López Obrador kritisierte das Vorgehen in der UN-Generalversammlung scharf. Er bezog sich bei seiner morgendlichen Pressekonferenz zudem auf Forderungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, die Russische Föderation aus dem UN-Sicherheitsrat auszuschließen. Mexiko ist derzeit eines der nichständigen Mitglieder.

"Was hätten sie nicht alles tun können, bevor der Krieg ausbrach, um die Parteien zusammenzurufen! Was haben sie getan? Nichts, und es ist einfach zu sagen, dass wir Sanktionen verhängen und Waffen schicken werden, ja, aber was ist mit den Menschen, die getötet werden?"

Er warnte, dass ein Ausschluss Russlands aus UN-Gremien die Möglichkeit einer Einigung zur Beendigung des Krieges untergraben würde.

"Wir werden uns der Stimme enthalten", betonte er. Dies sei auch eine klare Position, "denn stellen Sie sich vor, wie wir den russischen Konflikt mit der Ukraine lösen werden, wenn wir keinen Vermittler haben. Wozu ist die UNO da, wie wollen wir ein Instrument einsetzen, das grundlegend ist, um Friedensvereinbarungen zu erreichen und Krieg zu vermeiden, damit die Menschen nicht weiter leiden?", argumentierte López Obrador.

In diesem Konflikt sei das Versagen der Politik deutlich geworden. Mexiko werde weiterhin darauf bestehen, dass der Frieden erreicht werde, "das ist unsere Position und dafür sind die UNO und der Sicherheitsrat da", so der Präsident.

Das Vermittlungsverfahren müsse wiederhergestellt und die Parteien zu Verhandlungen, zum Dialog und zur Beendigung des Krieges aufgerufen werden, "anstatt ‒ wie in diesem Fall ‒ zu polarisieren und aufzuwiegeln, denn wenn die UNO nicht mit Russland reden kann, weil es ausgeschlossen wurde, wer soll dann reden?" fragte López Obrador abschließend.

Der Ausschluss werde in keiner Weise zur Suche nach einer "friedlichen, ausgehandelten und dauerhaften Lösung des Konflikts in der Ukraine beitragen, geschweige denn das Klima der Zusammenarbeit, des Dialogs und des Verständnisses fördern, das bei der Behandlung von Menschenrechtsfragen herrschen sollte", kritisierte auch der ständige Vertreter Kubas bei der UNO, Pedro Luis Pedroso.

Kuba habe sich "immer für Objektivität, Unparteilichkeit und Transparenz bei der Arbeit dieser Einrichtung eingesetzt und dafür, dass ihre Verfahren und Mechanismen auf der Grundlage wahrheitsgemäßer und überprüfter Informationen funktionieren", so Pedroso.

Bei der Aussprache in der Vollversammlung am Donnerstag warnte Kubas Vertreter vor "den Gefahren, die das US-Manöver für die Menschheit mit sich bringt". Es werde "ein weiterer gefährlicher Präzedenzfall geschaffen, insbesondere für den Süden", sagte Pedroso.

Er stellte den Aussetzungsmechanismus im Menschenrechtsrat in Frage, der in keinem anderen UN-Gremium eine Parallele hat. Dieser könne leicht selektiv eingesetzt werden: "Heute ist es Russland, aber morgen könnte es jedes unserer Länder sein, insbesondere die Nationen des Südens, die sich nicht den imperialen Interessen beugen und ihre Unabhängigkeit verteidigen".

Es sei kein Zufall, dass die vehementesten Befürworter der Klausel über die Aussetzung der Mitgliedschaft bei der Schaffung des Menschenrechtsrates "entwickelte Länder waren, die nachweislich dazu neigen, Länder des Südens zu beschuldigen, die nicht ihren angeblichen Demokratiemodellen entsprechen". Dieselben Industrienationen würden "komplizenhaft schweigen" angesichts von Menschenrechtsverletzungen der westlichen Länder, fügte Pedroso hinzu.

Die USA hätten den Tod von hunderttausenden von Zivilisten verursacht, die es als "Kollateralschäden" bezeichnet, sowie die Vertreibung von Millionen Menschen und gewaltige Zerstörungen überall auf der Welt, "aber diese Versammlung hat niemals eines ihrer Rechte ausgesetzt". Die Aussetzungsklausel werde auch nicht gegen die USA angewandt, trotz "der seit mehr als 60 Jahren aufrechterhaltenen kriminellen Blockade gegen Kuba", die eine systematische Verletzung der Menschenrechte der kubanischen Bevölkerung darstelle, so Pedroso.

Der Menschenrechtsrat ist ein zwischenstaatliches Gremium im UN-System, das sich aus 47 Staaten zusammensetzt. Die Generalversammlung hat das Recht, die Mitgliedschaft eines Landes auszusetzen, wenn es "grobe und systematische Menschenrechtsverletzungen" begeht.