El Salvador führt höhere Strafen für Sexualdelikte ein

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Frauenrechtlerin Silvia Juárez: Hauptproblem nicht Mangel an Abschreckung, sondern niedrige Verurteilungsrate
Frauenrechtlerin Silvia Juárez: Hauptproblem nicht Mangel an Abschreckung, sondern niedrige Verurteilungsrate

San Salvador. Das Parlament in El Salvador hat eine Erhöhung des Strafmaßes für Vergewaltigung und schwere sexuelle Nötigung beschlossen. Bislang ist die Höchststrafe für solche Verbrechen im Artikel 158 des Strafgesetzbuches auf zehn Jahre festgelegt.

Das neue Strafmaß beträgt zwölf Jahre und kann bis zu einem Drittel erhöht werden, wenn das Opfer zum Tatzeitpunkt bewusstlos war, infolge der Vergewaltigung schwanger wurde oder unter 18 Jahre beziehungsweise über 60 Jahre alt war. Ähnliches gilt für Fälle, in denen der Täter aus dem familiären Kreis kommt oder wissentlich Träger einer sexuell übertragbaren Krankheit ist.

Die Kommission für Frauen und Gleichstellung, die die Änderung forderte, setzte sich außerdem erfolgreich für ein Strafmaß von 20 bis 30 Jahre Haft ein, wenn die Tat von einem "Mitglied terroristischer Strukturen" begangen wurde.

Norma Lobo, Abgeordnete der Regierungspartei Nuevas Ideas, kommentierte den Schritt des Parlaments: "Für uns ist es wichtig, die Strafen für diese Art von Verbrechen zu verschärfen, da sie jeden Tag vorkommen, nicht nur von Personen, die nicht mit dem Opfer verwandt sind, sondern auch von Personen, die dem Opfer nahe stehen, wie Eltern, Stiefeltern oder Großeltern."

Mit der Verschärfung des Strafmaßes wird auch die Verjährungsfrist verlängert. Das hat zur Folge, dass Opfer länger Zeit haben, Beweise zu sichern.

Ob das einen Einfluss auf die Verurteilungsrate bei den Verfahren haben wird, ist noch unklar. Derzeit enden laut Angaben des Ministeriums für Justiz und öffentliche Sicherheit enden nur zwölf Prozent der Anzeigen von Sexualdelikten mit einer Verurteilung. Bei 20.728 Anzeigen zwischen 2018 und 2021 entspricht das einer Verurteilung der Täter in nur 2.570 Fällen.

Silvia Juárez von der Organisation salvadorianischer Frauen für den Frieden (Organización de Mujeres Salvadoreñas por la Paz) sieht die Änderungen kritisch und hält eine strukturelle Reform im gesamten Bereich der Verbrechen gegen die sexuelle Freiheit und die sexuelle Identität für notwendig, um das Problem zu lösen. Erst vergangene Woche war Esme [Pseudonym, das die klagenden Organisationen nutzen, um die Identität der Angeklagten zu schützen] zu 30 Jahren Haft verurteilt worden. Sie hatte nach einem medizinischen Notfall ihr ungeborenes Kind verloren.

Dabei hatte das Gerichtsurteil Manuela vs. El Salvador am Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte Ende vergangenen Jahres für Hoffnung gesorgt (amerika21 berichtete). Die Frau war 2008 nach einer Fehlgeburt wegen Mordes angeklagt und zu 30 Jahren Haft verurteilt worden. Sie verstarb im Jahr 2010 nach gesundheitlichen Problemen in Haft. Elf Jahre später verkündete der Gerichtshof ihre Unschuld und beschuldigte den salvadorianischen Staat der Verletzung mehrerer Persönlichkeitsrechte.

Die Verurteilung von Esme ist ein erneuter Rückschlag in den Bestrebungen der Entkriminalisierung von geburtshilflichen Notfällen. Die Anwältin der Verurteilten erklärte, der Richter habe parteiisch gehandelt und teilte mit, in Berufung gehen zu wollen. Esme selber sagte nach der Urteilsverkündung gegenüber ihren Unterstützern: "Danke, dass Sie mich unterstützen und mich in dieser Ungerechtigkeit, die ich erlebe, begleiten."