Angestellte und Pensionäre in Venezuela wehren sich gegen Lohn- und Leistungskürzungen

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Proteste in Caracas am 12. Juli: "Nieder mit den Onapre-Tabellen, für ein menschenwürdiges Leben, die Rettung der Löhne und Sozialleistungen"
Proteste in Caracas am 12. Juli: "Nieder mit den Onapre-Tabellen, für ein menschenwürdiges Leben, die Rettung der Löhne und Sozialleistungen"

Caracas. Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes in Venezuela haben bei einer Protestaktion höhere Gehälter und die Achtung der Arbeitnehmerrechte gefordert

Die Demonstration im Zentrum von Caracas richtete sich gegen eine Richtlinie des Nationalen Haushaltsamtes (Onapre), die eine Reihe von Tarifrechten außer Kraft setzt. Unter anderem ist eine 50-prozentige Kürzung von Lohnzuschlägen für Berufserfahrung oder Bildungsniveau vorgesehen und die Gehaltstabellen werden insgesamt gesenkt. Onapre untersteht dem Finanzministerium und legt die Haushalte der staatlichen Institutionen fest.

Die Kundgebung in der Hauptstadt, an der Hunderte Menschen teilnahmen, folgte auf mehrere ähnliche Proteste im ganzen Land. Die Demonstrierenden übergaben im Arbeitsministerium einen Brief, in dem sie die Rücknahme der Onapre-Anordnungen forderten, da sie "alle Tarifverträge missachten", so Eduardo Torres, Sprecher der Nationalen Gewerkschaftskoalition. "Wir sind empört über diese Einschnitte bei den Gehältern."

Die Demonstrierenden zogen weiter zum Sitz des Obersten Gerichtshofs, um gegen die ihrer Auffassung nach verfassungswidrigen Lohn- und Leistungskürzungen zu protestieren. Vor allem Pensionäre des öffentlichen Sektors, Krankenschwestern, Lehrer und Universitätsmitarbeiter nahmen daran teil.

Eine weitere Gewerkschaft, die sich beteiligte, vertrat die Beschäftigten von Supra, dem städtischen Abfallentsorgungsunternehmen in Caracas.

"Die Arbeiterklasse hat immer an der Seite von Präsident [Nicolás] Maduro gestanden und Supra hat stets ihre Aufgabe bei der Reinigung der Straßen erfüllt", sagte die Arbeiterin Graciela Carreño zu Reportern. "Wir fordern den Präsidenten auf, in dieser Angelegenheit Stellung zu beziehen".

Die Gewerkschaft bei Supra hat in den letzten Wochen mehrere Proteste organisiert und vorübergehend den Firmensitz besetzt. Die Angestellten werfen der Firmenleitung vor, Vereinbarungen nicht einzuhalten und lehnen eine vorgeschlagene Lohnkürzung ab.

Eduardo Sánchez, Sprecher der Gewerkschaft der Beschäftigten der Zentralen Universität Venezuelas, erklärte, die Onapre-Pläne seien "eine grausame Politik", die die Angestellten in "schreckliche Verhältnisse" bringe und sie zwinge, Zweitjobs anzunehmen oder den öffentlichen Dienst ganz zu verlassen. "Im Falle der Universitätsbeschäftigten sprechen wir von 40 bis 70 Prozent Kürzungen der Reallöhne".

Im Mittelpunkt der Proteste stand zwar die Forderung, die jüngsten Pläne zur Umstrukturierung der Gehälter zu stoppen, doch sie machten auch auf andere Probleme aufmerksam, wie die hohen Lebenshaltungskosten im Verhältnis zu den aktuellen Löhnen und die zunehmende Kriminalisierung von Gewerkschaftern (amerika21 berichtete).

Die umstrittenen Anpassungen werden zusammen mit einer fast zwanzigfachen Erhöhung des Mindestlohns eingeführt, die die Regierung im März verfügt hatte. Diese Erhöhung, mit der die Mindestlöhne im öffentlichen Sektor auf rund 30 US-Dollar pro Monat festgesetzt wurden, ist die erste seit vielen Monaten, da die Regierung die Inflation unter Kontrolle bringen wollte.

Venezuela hat indes im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit sieben Jahren ein BIP-Wachstum verzeichnet. Maduro versicherte wiederholt, dass die anhaltende wirtschaftliche Verbesserung zu einer allmählichen Erholung der Kaufkraft der Arbeitnehmer führen werde.

Die Regierung hat bei ihren Bemühungen, die Wirtschaft des Landes unter den massiven US-Sanktionen in Gang zu bringen, vorwiegend auf wirtschaftsliberale Maßnahmen zurückgegriffen. Dazu gehören die Aufhebung der Preis- und Devisenkontrollen, Steuererleichterungen, eine stärkere Beteiligung des Privatsektors an staatlichen Unternehmen und Initiativen wie das kürzlich verabschiedete Gesetz über Sonderwirtschaftszonen.

Befürworter argumentieren, dies seien notwendige Schritte zur Ankurbelung der Wirtschaft, während Gegner sagen, dass sie wichtige politische Maßnahmen, die unter den früheren Regierungen von Hugo Chávez eingeführt wurden, rückgängig machen.