Venezuela / Politik

Keine Unterstützung mehr: Guaidó als "Interimspräsident" in Venezuela abgesetzt

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Das war es: Bisherige Unterstützer entziehen Juan Guaidó das Vertrauen
Das war es: Bisherige Unterstützer entziehen Juan Guaidó das Vertrauen

Caracas. Die drei größten venezolanischen Oppositionsparteien haben dafür gestimmt, die "Übergangsregierung" von Juan Guaidó abzusetzen. Am vergangenen Donnerstag setzten die Parteien Acción Democrática (AD), Primero Justicia (PJ) und Un Nuevo Tiempo (UNT) ihr Vorhaben um, den bürokratischen Apparat unter dem selbsternannten "Interimspräsidenten" abzuschaffen.

Die Entscheidung wurde auf einer virtuellen Sitzung der abgelösten, von der Opposition kontrollierten Nationalversammlung getroffen, die im Dezember 2015 gewählt worden war. Obwohl ihre Legislaturperiode im Januar 2021 endete, boykottierten die größten oppositionellen Parteien die Parlamentswahlen im Dezember 2020 und hielten ein weitgehend zeremonielles Parallelparlament aufrecht, indem sie sein Mandat einseitig jährlich verlängerten.

Nun erhielt ein Vorschlag zur "Reform" des sogenannten Übergangsstatuts bei der Abstimmung 72 Ja-Stimmen, 29 Nein-Stimmen und acht Enthaltungen.

Dieses Statut war der Rahmen, der von den US-unterstützten Parteien geschaffen wurde, um die Autorität der Regierung von Nicolás Maduro abzulehnen und die Präsidentschaftswahlen 2018 nicht anzuerkennen. Es bildete die Grundlage für Guaidós Selbstausrufung zum "Interimspräsidenten" im Januar 2019.

Der Text wurde jedes Jahr aktualisiert. Ende 2021 wollten AD, PJ und UNT die "Übergangsregierung" bereits entmachten, entzogen ihr dann aber lediglich einen Teil der Befugnisse. Mit der jetzigen Reform wurden die Klauseln, die sich auf die von Guaidó geführte Struktur beziehen, gestrichen, die Tätigkeit des Parallelparlaments wurde aber um ein weiteres Jahr verlängert.

Der von den drei rechten Parteien eingebrachte Antrag wurde von Guaidó-Anhängern, insbesondere von der ultrarechten Voluntad Popular (VP), heftig zurückgewiesen. Es kam zu wütenden Auseinandersetzungen, in denen VP-Mitglieder wie Freddy Guevara die anderen Kräfte beschuldigten, "politischen Selbstmord" und einen "Auftragsmord" an Guaidó zu begehen.

Ein weiteres Gegenargument betraf die angebliche "Verfassungswidrigkeit" des reformierten Statuts, da es exekutive Befugnisse auf ein legislatives Organ übertrage. Die Einsetzung der Übergangsregierung und die Ernennung Guaidós beruhten jedoch auf einer falschen Auslegung des Artikels 233 der Verfassung. Juan Miguel Matheus von Primero Justicia erinnerte seine Kollegen daran, dass das gesamte Projekt eine Schöpfung der Nationalversammlung sei.

Guaidó bezeichnete den Schritt als "Sprung ins Ungewisse", da er die "Anerkennung" der regierungsfeindlichen Fraktionen gefährde. "Die politische Entscheidung, eine verfassungsmäßige Waffe zu beseitigen, bringt uns in eine schlechte Position", sagte er.

Die parallele Nationalversammlung wird nun einen fünfköpfigen "Rat für Verwaltung und Vermögensschutz" ernennen, der die Ressourcen managen soll. Die "Übergangsregierung" verfügte über Finanzmittel, die vom US-Finanzministerium zugewiesen wurden, und bezog Gelder von eingefrorenen Konten des venezolanischen Staates. Letzte Woche bewilligte der US-Senat 50 Millionen US-Dollar für Programme zur "Demokratieförderung" in Venezuela für das Jahr 2023.

Ein zentraler Punkt der Kontroverse während der Debatten betraf eben die Verwaltung einer Reihe von venezolanischen Vermögenswerten, die Washington und seine Verbündeten blockiert und unter die Kontrolle der "Übergangsregierung" gestellt haben. Diese Funktion soll der nun eingesetzte Rat übernehmen. Der bedeutendste Fall ist die acht Milliarden Dollar schwere Tochterfirma des staatlichen Erdölunternehmens PDVSA in den USA, Citgo. Die Firma befindet sich derzeit in einer gerichtlich angeordneten Aktienversteigerung, um internationale Schiedssprüche zu erfüllen.

Der Umgang der Opposition mit ausländischen Vermögenswerten hat zu Korruptionsvorwürfen seitens verschiedener Fraktionen geführt. Auch Guaidó werden geheime Absprachen und Interessenkonflikte bei juristischen Auseinandersetzungen um venezolanisches Vermögen vorgeworfen.

Der Schritt, Guaidó ins Abseits zu stellen, kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Hardliner-Oppositionskräfte sich wieder an Wahlen beteiligen und versuchen wollen, die regierende Vereinte Sozialistische Partei (PSUV) bei den für 2024 geplanten Präsidentschaftswahlen herauszufordern. Mitte 2023 sollen Vorwahlen zur Bestimmung ihres Kandidaten stattfinden.

Im Vorfeld der Abstimmung am Donnerstag erklärte der stellvertretende Außenminister für Angelegenheiten der westlichen Hemisphäre, Brian Nichols, dass die Regierung von Joe Biden der Mehrheitsentscheidung folgen werde. Ein anonymer Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters ebenfalls, dass das Weiße Haus die "Übergangsregierung" weiterhin anerkennen werde, "unabhängig davon, welche Form sie annimmt".