Metallarbeiter in Venezuela protestieren für bessere Löhne

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Sidor-Arbeiter haben Proteste organisiert und die Autobahn im Bundesstaat Bolívar blockiert
Sidor-Arbeiter haben Proteste organisiert und die Autobahn im Bundesstaat Bolívar blockiert

Ciudad Guayana. Arbeiter des staatlichen venezolanischen Stahlproduzenten Sidor in Ciudad Guayana im Bundesstaat Bolívar fordern bessere Löhne sowie die Wiedereinführung der Krankenversicherung und des Rechts auf Tarifverhandlungen. Seit dem 9. Januar haben Hunderte Beschäftigte ihre Arbeitsplätze verlassen und jeden Tag die örtliche Autobahn blockiert.

"Dies ist kein politischer Protest", betonte der Sprecher Henry Quintana. "Dies ist ein Arbeiterprotest und wir werden nicht nachgeben, bis wir gehört werden". Andere Sprecher erklärten, dass die Löhne in US-Dollar festgelegt werden sollten, um sie vor der Abwertung der Landeswährung zu schützen.

Die Sidor-Demonstrationen haben Berichten zufolge Unterstützung von anderen Unternehmen im industriellen Kerngebiet Venezuelas erhalten. Neben einem existenzsichernden Lohn verlangen die Streikenden auch, dass die Krankenversicherung wiederhergestellt und ein neuer Tarifvertrag ausgehandelt wird.

"Wir sind in diesem Kampf vereint und warten auf eine Antwort auf unsere Forderung nach gerechten Löhnen", erklärte ein Arbeiter. Er betonte, dass es sich bei den Demonstranten nicht um "Guarimberos" handele ‒ so werden gewalttätige, rechtsgerichtete Anti-Regierungs-Protestler bezeichnet. Verschiedene Arbeiterorganisationen in der Region ziehen indes eine breitere Aktion in Erwägung, um die Forderungen zusammenzubringen.

Die Stahlarbeiter hatten die Sidor-Leitung monatelang aufgefordert, die Löhne an die steigenden Lebenshaltungskosten anzupassen, und führten eine Reihe von wilden Streiks durch. Sie beklagen auch unsichere Arbeitsbedingungen und verlangen Maßnahmen dagegen. Zudem soll das Unternehmen nicht gezahltes Weihnachtsgeld ausgleichen.

Die Regierung von Nicolás Maduro hat inzwischen eine Kommission eingesetzt, die mit den Arbeitervertretern von Sidor verhandeln soll.

Ein erstes Treffen am Freitag führte zu einer Reihe vorläufiger Vereinbarungen, darunter die Zusage, dass die an den Protesten Beteiligten nicht entlassen werden und mehrere Arbeiter, die während der Woche von Sicherheitskräften festgenommen wurden, freikommen. Beide Parteien einigten sich auch auf die Einrichtung von Dialogmechanismen, während sich die Arbeitervertreter bereit erklärten, die Straßenblockade aufzuheben.

Zwei Tage zuvor hatten Sidor-Vorstand und örtliche Behörden eine Gegendemonstration organisiert, um die Politik der Regierung zu verteidigen. Der Gouverneur des Bundesstaates Bolívar, Ángel Marcano, forderte die Arbeiter auf, nicht zuzulassen, dass ihre Forderungen "die Industrie lähmen". Er deutete an, hinter den Protesten stünden "andere Interessen" und rief dazu auf, die Blockade der Autobahn aufzuheben. "Die Regierung ist bereit, sich zusammenzusetzen und mit den Arbeitern zu reden", sagte Marcano.

Sidor wurde 2008 von der Regierung Hugo Chávez verstaatlicht und durchlief zunächst eine Phase der Arbeiterkontrolle, bevor ein staatlich gelenktes Top-down-Managementmodell eingeführt wurde.

Die staatlichen Unternehmen Venezuelas wurden von der Wirtschaftskrise und durch die US-Sanktionen hart getroffen. Mangel an Ersatzteilen, eine verringerte Zahl von Arbeitskräften durch Migration und fehlende Mittel für Investitionen und Wartung waren die Folge, einige Industrien kamen fast zum Erliegen.

Sidor erlebte im Jahr 2022 mit einer gemeldeten Produktion von 230.000 Tonnen Stahl einen leichten Aufschwung. Allerdings entsprach dies nur etwa sechs Prozent der Produktionskapazität.