Kolumbien / Militär / Politik

Generalstaatsanwalt von Kolumbien will Regierung Petro zu Fall bringen

Auf Tod eines Sicherheitsmannes des Präsidentenbüros folgen Spekulationen über die Interessen bei Ermittlungen um Abhöraffäre

cuerpo_tecnico_de_investigacion.jpg

Anwalt von Óscar Dávila: "Die Ermittlungen sind ein fiktives Konstrukt der Staatsanwaltschaft, um der Regierung zu schaden"
Anwalt von Óscar Dávila: "Die Ermittlungen sind ein fiktives Konstrukt der Staatsanwaltschaft, um der Regierung zu schaden"

Bogotá. Das Mitglied des Sicherheitsteams des Büros des Präsidenten, Polizeioberst Óscar Dávila, hat sich letzte Woche mutmaßlich selbst erschossen. Laut seinem Anwalt, Miguel Ángel del Río, hatte er sich von der Staatsanwaltschaft stark unter Druck gesetzt gefühlt, weil diese ihm einen Prozess anhängen wollte, um der Regierung zu schaden.

Ein Staatsanwalt habe Dávila gedroht, ihn wegen illegaler Abhöraktionen gegen zwei Hausangestellte der Ex-Kabinettschefin und rechten Hand von Präsident Gustavo Petro, Laura Sarabia, anzuklagen. Der Druck werde nicht aufhören, "bis Blut nicht vergossen wird", soll er zu Dávila gesagt haben.

Der Polizeioberst hatte eine der Hausangestellten zwar einem Lügendetektortest unterzogen, nachdem aus der Wohnung Sarabias eine große Summe Staatsgelder gestohlen worden war. Von illegalen Abhöraktionen habe Dávila aber nichts gewusst, soll er del Río einen Tag vor seinem Tod versichert haben. Insofern seien die Ermittlungen eine "fiktive Konstruktion der Staatsanwaltschaft" gegen die Regierung, betonte der Anwalt.

Die gerichtsmedizinische Behörde, die der Staatsanwaltschaft untersteht, hat noch keine forensischen Ergebnisse veröffentlicht. Mitglieder der ultrarechten Oppositionspartei Centro Democrático verbreiten indes bereits die Version, dass Dávila im Interesse von Präsident Petro ermordet worden sei, weil er zu viel über die illegalen Abhörmaßnahmen gewusst habe.

Auch der Generalstaatsanwalt Francisco Barbosa deutete Anfang Juni an, dass die Regierung Petro die illegalen Abhöraktionen in Auftrag gegeben hätte. Dies sei "grotesk" und "besonders gravierend für die Demokratie", empörte sich Barbosa. Wegen seiner wiederholten offenen Angriffe auf die Regierung wird er in progressiven Kreisen seit Monaten als "Oppositionsführer" wahrgenommen.

Er berichtete, dass die Kriminalpolizei Dijin einen falschen Bericht verfasst habe, in dem die beiden Angestellten von Sarabia als Mitglieder der kriminellen Organisation Clan del Golfo dargestellt wurden, um die Abhöraktion plausibel zu machen. Er betonte, dass die Dijin dem Präsidentschaftsbüro untersteht.

Barbosa verschwieg jedoch, dass es die Staatsanwaltschaft und nicht die Dijin war, die die beiden Frauen sechs Tage lang weiter abhörte, obwohl der zuständige Dijin-Polizist sie am dritten Tag der Abhörung aufforderte, die Bespitzelung zu beenden. Dies tat er, als er feststellte, dass die beiden Abgehörten nichts mit dem Clan del Golfo zu tun hatten. Sein Anwalt - ebenfalls del Río - hat den Beweis für seine Mitteilung an die Staatsanwaltschaft. Die Behörde setzte die Abhörung dennoch sechs Tage lang fort.

Nun will sie den Dijin-Agenten vor Gericht bringen. Seinen Namen nennt er den Medien nicht, weil er im Chocó verdeckt gegen den Clan del Golfo arbeitet. Dass jemand von der Regierung ihn beauftragt habe, die Angestellten Sarabias abzuhören, bestreitet er entschieden. Er habe den Staatsanwalt im Chocó zunächst darum gebeten, weil ihm ein Mitglied des Clan del Golfo, der Informant der Dijin sei, die Namen der beiden Frauen im Zusammenhang mit der kriminellen Organisation genannt habe.

Der Informant habe ihm in der Vergangenheit wertvolle Informationen geliefert, die zur Verhaftung von Mitgliedern dieser Struktur geführt hätten. Der Dijin-Agent wisse nicht, ob er noch am Leben sei, sagte er in einem Interview.

Präsident Petro hat wiederholt in aller Deutlichkeit bestritten, dass seine Regierung illegale Abhörmaßnahmen angeordnet hat. "Es kann keinen Zweifel geben, dass diese Regierung die schmutzigen Taten anderer Regierungen nicht wiederholen wird", sagte Petro vor der Militärführung. Die Regierung habe keine illegalen Abhöraktionen durchgeführt, weder gegen hochrangige Funktionäre früherer Regierungen noch gegen arme Menschen. "Das ist nicht wahr", sagte Petro.

Ausgangspunkt des Abhörskandals waren Vorwürfe des Ex-Botschafters in Venezuela, Armando Benedetti, gegen Sarabia, dass sie Menschen abhören ließe. Benedetti gehörte zu den Organisatoren von Petros Wahlkampagnen. In persönlichen Audionachrichten, die an die Öffentlichkeit gelangten, drangsalierte er Sarabia, weil sie ihm keinen besseren Posten in der Regierung verschaffte. Personen aus Sarabias engstem Kreis sprachen von Erpressung. Später entschuldigte er sich bei Petro und erklärte, dass alles eine Folge der Wut und des Alkohols gewesen sei.

Aufgrund von Benedettis Äußerungen leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die Regierung wegen illegaler Wahlkampffinanzierung ein.

Petro setzte Benedetti und Sarabia ab. Beide sollen für die Dauer der Ermittlungen gegen sie aus der Regierung ausgeschlossen bleiben.