Guatemala-Stadt. Es ist offiziell: Der Kandidat Bernardo Arévalo von der links-sozialdemokratischen und aus den großen Antikorruptionsprotesten hervorgegangenen Partei "Movimiento Semilla" hat mit 11,8 Prozent sicher die Stichwahl erreicht, obwohl sie in Umfragen bei unter zwei Prozent gelegen hatte.
Vorne liegt Sandra Torres von der Einheit der Nationalen Hoffnung (UNE) mit knapp 15 Prozent. Auch die UNE ist eine sozialdemokratische Partei, wird aber im Allgemeinen nicht als Oppositionspartei wahrgenommen, sondern zum herrschenden "Pakt der Korrupten" gezählt.
Alle weiter rechts stehenden Kandidaten sind nicht in der Stichwahl. Manuel Conde von der aktuellen Regierungspartei Vamos kam mit gut acht Prozent auf den dritten Platz, Armando Castillo von der Partei Viva mit sieben Prozent auf Platz vier.
Edmund Mulet von der unternehmerfreundlichen Partei und die ultarechte Kandidatin Zury Rios vom Parteienbündnis Unionista/Valor Cabal kamen nur auf Platz fünf und sechs. Beide waren in Umfragen zuvor als Favoriten für die Stichwahl gehandelt worden.
Unüblich für linke Wahlergebnisse in Guatemala punktete Arévalo vor allem in den großen Städten. So erreichte er in der Hauptstadt gut 23 Prozent der Stimmen, in der Nahe der Hauptstadt gelegenen Stadt Antigua Guatemala 30 und in der zweitgrößten Stadt Quetzaltenango sogar 32 Prozent.
Im Gegensatz dazu standen die Ergebnisse in den nördlichen, von großer Armut geprägten ländlichen Departamentos Huehuetenango, Quiche und Alta Verapaz. Diese konnte Sandra Torrres für sich entscheiden, während Semilla dort nur um die fünf Prozent erreichte.
Im jetzigen und in den vergangenen Wahlkämpfen waren der UNE und den weiter rechts stehenden Parteien der Vorwurf von Stimmenkauf durch Wahlkampfgeschenke gemacht worden. Jetzt seien sogar Schecks aufgetaucht, die erst nach der Wahl einzulösen waren und auch nur, wenn der richtige Kandidat gewinnt, berichtete die deutsche Tagesschau.
Die Ausschlüsse im Vorfeld ‒ neben der linken Kandidatin Thelma Cabrera für die Bewegung für die Befreiung der Völker (MLP) waren auch drei rechte Kandidaten betroffen ‒ hatten eine relativ hohe Anzahl ungültiger (voto nulo) Stimmen erwarten lassen.
Tatsächlich gaben gut sieben Prozent der Wähler leere und über 17 Prozent ungültige Stimmzettel ab, auch war die Wahlbeteiligung mit rund 60 Prozent relativ niedrig. In zwölf von 22 Departamentos gewann sogar das voto nulo, in fünf die UNE, in drei Semilla und in einem die aktuelle Regierungspartei Vamos.
Bei den Parlamentswahlen wird die noch-Regierungspartei Vamos mit 40 Abgeordneten die größte Fraktion stellen, gefolgt von der UNE mit 27. Die Semilla wird 24 Abgeordnete im Parlament haben, ein deutlicher Zugewinn zu den aktuell sieben Abgeordneten. Die von Dissidenten der UNE gegründete Partei VOS wird vier Abgeordnete, die Koalition URNG/Winaq einen stellen.
Die MLP erreichte bei den Parlamentswahlen trotz eines engagierten Wahlkampfes nur noch 1,3 Prozent und ist nicht mehr im Parlament vertreten.
Bei den Bürgermeisterwahlen in der Hauptstadt konnte das Bündnis "Foppa por la Cuidad" mit 16,4 Prozent den dritten Platz erreichen. Dies ist, nachdem es zwischenzeitlich nach einem Kopf an Kopf Rennen ausgesehen hatte, zwar ein Rückstand von rund fünf Prozentpunkten auf den Amtsinhaber Ricardo Quiñónez vom ultrarechten Parteienbündnos Uniosta-Valor, der mit gut 22 Prozent gewann. Allerdings war das Bündnis durch den Ausschluss und die Inhaftierung des bekannten Spitzenkandidaten Fransisco Foppa (amerika 21 berichtete) stark geschwächt worden und hatte in Umfragen nicht mehr auf den ersten Plätzen gelegen.
In Antigua gewann das Bürgerkomitee "Futuro". In Quetzaltenango konnte das Bürgerkomitee SBX (Sacandole Brillo a Xela) den zweiten Platz hinter dem Amtsinhaber Juan Fernando López von der Partei Humanista erreichen. Das SBX setzt sich für einen guten kommunalen Nahverkehr und eine ökologische und soziale Stadtpolitik ein.
In Solola gewann ebenfalls ein Bürgerkomitee SUD (Sololateco Unidos para el Desarrollo), auf Platz zwei kam die ehemalige Guerillaorganisation URNG. In der indigen geprägten Kreisstadt nahe des Touristenmagnets Atitlansee hatten seit dem Ende des Bürgerkrieges die URNG und das genannte Komitee alle Bürgermeisterwahlen gewonnen.
Das "Movimiento Semilla" nahm erst das zweite Mal an Wahlen teil. 2019 wurde ihre Präsidentschaftskandidatin, die ehemalige Generalstaatsanwältin Thelma Aldana, ebenfalls ausgeschlossen und musste in die USA ins Exil flüchten.
Die Abgeordneten von Semilla machten eine offensive Oppositionspolitik im Parlament. Im aktuellen Wahlkampf beteiligte sich die Partei nicht an der kostenaufwändigen "Materialschlacht" und setzte stattdessen auf Inhalte wie konkrete Vorschläge zur Reduzierung der Armut und zur Verteidigung der bedrohten und eingeschränkten Demokratie.