Chile / Politik

50 Jahre Militärputsch in Chile: Regierungsprogramm und Basisaktivitäten

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Salvador Allende 1972, ein Jahr vor dem Putsch in Chile
Salvador Allende 1972, ein Jahr vor dem Putsch in Chile

Santiago. Für die Vorbereitung des 50. Jahrestages des Putsches gegen Präsident Salvador Allende im September 1973 setzt die Regierung von Chile verstärkt auf künstlerische Aufarbeitung. Der Schwerpunkt liegt auf den Menschenrechtsverletzungen während der 17 Jahre der Militärdiktatur unter Führung von General Augusto Pinochet.

Je länger historische Ereignisse zurückliegen, desto mehr verblasst das kollektive Gedächtnis und es entsteht Raum für Um- und Neuinterpretationen.

Am 30. Juni stellte die Regierung von Gabriel Boric eine Arbeitsgruppe um die Kulturministerin Julieta Brodsky vor, um alle staatlichen Aktivitäten im In- und Ausland zu koordinieren. Brodsky umriss die Vorstellungen der Regierungsinitiative folgendermaßen: "Sie zeigt das Engagement, das diese Regierung für die Menschenrechte, für das Gedenken, für die Gerechtigkeit, für die Wahrheit und für die Garantien der Nichtwiederholung hat." Zum politischen Erbe der sozialistischen Regierung Allende stellte sie keinen Bezug her.

Francisco Marin, Direktor der linken Zeitung El Ciudadano, interviewte dazu Miguel Lawner, Architekt und Direktor für Städteplanung unter Allende: "Allendes Prestige beruht auf der Fähigkeit, die großen Veränderungen vollzogen zu haben, die er in seinem Wahlkampf versprochen hatte, in Bezug auf Pluralismus, Demokratie und Freiheit, wie er so oft bekräftigt hat."

Konservative und ultrarechte Kreise sind inzwischen bereit, die Menschenrechtsverletzungen unter Pinochet zu verurteilen. Sie bestehen aber darauf, dass die Militärs Chile gerettet hätten. Linke Parteien, Menschenrechtsorganisationen und Basisinitiativen sehen den Hintergrund des Putsches im Bestreben, einem gesellschaftlichen Alternativmodell, dem Sozialismus in den Farben Chiles, den Garaus zu machen, sowie die arbeitende Bevölkerung und ihre Organisationen als politische Akteure nachhaltig auszuschalten.

Die Rechte in Chile musste sich in den letzten Jahren von den brutalen Menschenrechtsverletzungen der Militärdiktatur distanzieren, um politisch nicht völlig ins Abseits zu geraten. Das hindert sie indessen nicht daran, den Staatsstreich von 1973 zu rechtfertigen. Der ultrarechte Republikaner Luis Silva macht aus seiner Verehrung für Pinochet keinen Hehl: "Er war ein Mann, der wusste, wie der Staat zu führen ist." Javier Macaya, Präsident der rechten Oppositionspartei UDI relativiert die Figur des Diktators: "Pinochet ist ein Militär, der sein Amt unter schwierigen Umständen angetreten hat, aber in seiner Regierung wurden Menschenrechtsverletzungen begangen."

Verschiedene Menschenrechtsinitiativen widersprechen bereits der Erinnerungskultur der Regierung und versuchen, das Ansehen und das politische Erbe Allendes wachzuhalten. Sie erinnern an dessen letzte Radioansprache, bevor er persönlich mit der Waffe in der Hand sein Amt gegen die Putschisten verteidigte und starb: "In diesem düsteren und bitteren Augenblick, in denen sich der Verrat durchsetzt, sollt ihr wissen, dass sich früher oder später, sehr bald erneut die breiten Avenidas auftun werden, auf denen der würdige Mensch dem Aufbau einer besseren Gesellschaft entgegengeht."

Diese Initiativen sehen sich durch die soziale Revolte vom Oktober 2019 in ihrer Sichtweise bestätigt.

In der vorwiegend von der Arbeiterschaft bewohnten Gemeinde Renca, Teil vom Großraum Santiago, konnten lokale Menschenrechtsorganisationen gegen bürokratische Hindernisse die Errichtung eines Mahnmals für die ermordeten Einwohner auf dem zentralen Platz der Gemeinde erkämpfen. Im Juni formierte sich ein Organisationskomitee, das bis September monatliche Aktivitäten zum Jahrestag des Staatsstreiches durchführen wird.

Eine erste Flugblattaktion wendet sich an die Menschen: "Wir rufen die Bewohner Rencas auf, sich dieser Plattform der Erinnerung, dem Wachhalten unserer Forderungen und des Kampfes anzuschließen."