Chile / Politik

Militärputsch 1973 in Chile: Kulturelle Aktionen leiten Gedenken zum 50. Jahrestag ein

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Vorbereitungen auf das Gedenken im September für eine Auseinandersetzung in der Gesellschaft mit dem Putsch von 1973
Vorbereitungen auf das Gedenken im September für eine Auseinandersetzung in der Gesellschaft mit dem Putsch von 1973

Santiago. Zur Vorbereitung auf den 50. Jahrestag des Militärputsches unter Augusto Pinochet startet das chilenischen Ministeriums für Kultur, Kunst und kulturelles Erbe die Website 50.cl. Sie soll als Netzwerk von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Aktionen und kulturellen Veranstaltungen zum Gedenken an die Ereignisse von 1973 dienen und bündelt audiovisuelles Material zum Thema. Daneben gibt es eine Vielzahl zivilgesellschaftlicher Aufrufe zur Beteiligung an der Auseinandersetzung mit dem Jahrestag.

Im Rahmen der Vorstellung der Website am 16. Juni betonte der Minister für Kultur, Kunst und kulturelles Erbe, Jaime de Aguirre, in seiner Rede die Gelegenheit, anlässlich des Jahrestages "über die Bedeutung von Erinnerung und Demokratie nachzudenken".

Der Militärputsch am 11. September 1973 beendete brutal einen Prozess des demokratischen und sozialen Wandels während der Regierungszeit von Präsident Salvador Allende und leitete eine 17-jährige Diktatur ein. Unter ihrer Herrschaft wurden mehr als 40.000 Verbrechen gegen die Menschheit begangen, darunter Mord, Folter, Inhaftierung und Verschwindenlassen. Bis heute suchen Familien nach Entschädigung oder einfach nur nach Erkenntnissen über den Verbleib ihrer Angehörigen.

Der 16. Juni war nicht nur der Beginn der Kampagne des Ministeriums, sondern ist auch der Tag der Erinnerung an die Opfer der sogenannten "Aktion Albanien" des chilenischen Geheimdienstes CNI im Jahr 1987. Damals wurden auf Befehl Pinochets zwölf Jugendliche der Frente Patriótico Manuel Rodríguez (FPMR) verhaftet, gefoltert und von einem Kommando des CNI ermordet. Die Aktion stellte sich als staatliche Rache für das gescheiterte Attentat auf Pinochet dar, das die FPMR am 7. September 1986 ausführte.

Eine Veranstaltung am Folgetag zeigte die Vielfalt der Aktionen an, die das Ministerium versucht zu bündeln, die aber auch unabhängig von verschiedenen Kollektiven organisiert werden. In der Region Bio-Bio können derzeit chilenische und internationale Kunstprojekte dem Aufruf "50 años – 50 acciones: Imaginando el porvenir von Archivo Artes Visuales Biobío y Mesa8" folgen und sich für eine Förderung ihrer Projekte bewerben, die sich mit der Erinnerung, dem politischen Widerstand und dem Kampf für soziale Gerechtigkeit auseinandersetzen.

Der Umgang mit der Geschichte der chilenischen Diktatur spaltet das Land auch 50 Jahre später. In einer Umfrage von Mori Chile in diesem Jahr gaben 36 Prozent der Befragten an, dass die Streitkräfte "den Staatsstreich zu Recht durchgeführt haben", während 42 Prozent antworteten, dass "es nie einen Grund gibt". Pinochets Zustimmungsrate läge damit nur acht Prozent unter dem Wert, den der Diktator beim Referendum von 1988 erzielte.

Die Direktorin des Meinungsforschungsinstituts Marta Lagos erklärt dies unter anderem mit der fehlenden Ausgrenzung der an der Diktatur Beteiligten in den folgenden Jahren der Demokratisierung bis heute: "Wir waren sehr tolerant gegenüber denjenigen, die aus der Diktatur kamen. Es gibt hier unzählige Menschen, die während der Diktatur wichtige politische Ämter bekleidet haben und die weiterhin versuchen, das Volk in der Demokratie zu repräsentieren."

Lagos stellt weiter fest, dass die Person Pinochets bei den Gedenkfeiern zum 50. Jahrestag kein Thema sein wird. "Das ist das einzige Thema, das niemand anspricht, man traut sich nicht, es anzufassen". Ein nationales Erinnern wird vielmehr über den Menschenrechtsdiskurs versucht. So betont Präsident Gabriel Boric auf Twitter: "Der 50. Jahrestag ist eine Gelegenheit für alle Chilenen und Chileninnen und hoffentlich für die ganze Welt, gemeinsam zu sagen, dass kein politischer Unterschied die Verletzung der Rechte anderer rechtfertigt."