Ecuador / Politik

Präsidentschaftswahlen in Ecuador: Rechtsliberaler Kandidat ermordet

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Der ermordete Präsidentschaftskandidat aus Ecuador, Fernando Villavicencio
Der ermordete Präsidentschaftskandidat aus Ecuador, Fernando Villavicencio

Quito. Keine zwei Wochen vor der vorgezogenen Präsidentschaftswahl in Ecuador ist am Mittwochabend Fernando Villavicencio in Quito ermordet worden. Ein Video in den sozialen Netzwerken zeigt, wie er im Anschluss an eine Wahlkampfveranstaltung in sein von Leibwächtern umringtes Fahrzeug steigt, bevor Schüsse und Schreie zu hören sind. 

Bei dem Angriff ‒ vom Direktor der polizeilichen Ermittlungen als "Terroranschlag" bezeichnet ‒ wurden mindestens neun weitere Personen verletzt. Darunter befand sich auch ein Tatverdächtiger, der auf dem Weg ins Krankenhaus verstarb.

Der Anschlag geschah nur elf Tage vor den Präsidentschaftswahlen und inmitten eines zunehmenden Klimas der Gewalt im Land. Behörden sprechen davon, dass der derzeitige Wahlkampf besonders blutig sei. Dutzende Amtsträger:innen und Kandidat:innen für öffentliche Ämter wurden bereits ermordet. Von den acht Kandidat:innen der Präsidentschaftswahl befinden sich sieben unter Polizeischutz. Darunter war auch Villavicencio, wie Innenminister Juan Zapata bestätigte. Dass dieser Schutz nichts nutzte, erzürnt die Familie des Ermordeten. Eine Schwester von Villavicencio spricht gar von einem Komplott gegen ihren Bruder.

Präsident Guillermo Lasso berief nach der Tat eine Sondersitzung des Sicherheitskabinetts ein und verhängte für zwei Monate den landesweiten Ausnahmezustand. Dennoch sollen die Wahlen wie geplant am 20. August stattfinden und der Wahlkalender eingehalten werden, so die Präsidentin des Nationalen Wahlrates.

Verschiedene Akteur:innen, darunter das Büro der Vereinten Nationen in Ecuador und die Puebla-Gruppe, ein Bündnis fortschrittlicher Politiker:innen in Lateinamerika, fordern die Regierung auf, die Tat schnell zu untersuchen und gegen die Gewalt im Land vorzugehen.

Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen wurde in der Nähe des Tatortes Sprengstoff gefunden und mindestens sechs Personen verhaftet. Mehreren Tweets zufolge soll einer der Festgenommenen in den Räumlichkeiten der Staatsanwaltschaft Quito getötet worden sein. Die dortigen Vorfälle sind jedoch noch unklar.

Ebenso unklar ist, wer die Verantwortung für den Mord an Villavicencio trägt.

Kurz nach der Tat ist das Video einer Gruppe bewaffneter und vermummter Personen in den sozialen Netzwerken aufgetaucht. Darin bezeichnet sich die Gruppe als "Los Lobos" und dass sie Villavicencio ermordet hätten. Weiterhin drohen sie damit, dass "korrupten Politikern“, insbesondere Jan Topic, Präsidentschaftskandidat der Sozialchristlichen Partei, dasselbe Schicksal widerfahren werde. Topic hat daraufhin seine Wahlkampfaktivitäten vorübergehend ausgesetzt.

"Los Lobos" sind laut Insight Crime Stiftung mit über 8.000 Mitgliedern die zweitgrößte kriminelle Bande des Landes. Sie sollen vor allem in den Städten Latacunga, Cuenca und Machala operieren, aber auch in den Gefängnissen des Landes immer mehr an Einfluss gewinnen. Die Gruppe sei im Drogenhandel, vor allem Kokain, und in illegalen Bergbaugeschäften aktiv und habe Verbindungen nach Kolumbien, Mexiko und in die USA.

Nach dem ersten Video ist jedoch ein zweites aufgetaucht, in dem eine weitere, diesmal unmaskierte Gruppe behauptet, "Los Lobos" zu sein und dass das andere Video eine Fälschung sei. Weiterhin fordern sie die andere Gruppe auf, ihre Masken abzunehmen und sich zu erkennen zu geben. Andere Stimmen auf Twitter behaupten, dass das erste Video ursprünglich aus Mexiko stamme und nur mit einer neuen Tonspur versehen wurde.

Villavicencio hatte kurz vor seiner Ermordung erklärt, dass es gegen ihn und sein Team Drohungen durch "einen der Capos des Sinaloa-Kartells" gegeben habe, von denen er sich aber nicht einschüchtern lassen wolle.


Präsident Lasso gab am Donnerstag bekannt, dass er das Federal Bureau of Investigation (FBI) um Unterstützung bei der Untersuchung des Mordes an Villavicencio gebeten hat. Das Ersuchen sei angenommen worden und eine Delegation werde in den nächsten Stunden im Land eintreffen, heißt es in Lassos Tweet. Im FBI, der zentralen Sicherheitsbehörde der USA, ist sowohl die Strafverfolgungsbehörde als auch der Inlandsgeheimdienst zusammengefasst.

Unterstützt durch die liberale Partei Movimiento Construye hatte Villavicencio im Wahlkampf die Korruption im Land angeprangert. Über seine Chancen auf das Präsidentenamt gibt es unterschiedliche Aussagen. Laut dem Meinungsforschungsinstitut Cedatos lag er auf Platz zwei hinter der Linkskandidatin Luisa González, der Zeitung El País zufolge lediglich zwischen dem vierten und fünften Platz.

Villavicencio war vor seiner politischen Karriere als Journalist tätig. Seit 2021 war er als Abgeordneter der Partei Alianza Honestidad Mitglied der Nationalversammlung und Präsident der Kommission für Aufsicht und politische Kontrolle.