Peru / Politik / Menschenrechte

Peru: Weitere Ermittlungen gegen Präsidentin wegen Menschenrechtsverbrechen

peru_opferangehoerige_fordern_gerechtigkeit_boluarte.jpg

Angehörige der Opfer des Massakers in Juliaca (Puno) fordern Gerechtigkeit und Bestrafung der Verantwortlichen
Angehörige der Opfer des Massakers in Juliaca (Puno) fordern Gerechtigkeit und Bestrafung der Verantwortlichen

Lima. Die peruanische Staatsanwaltschaft hat beschlossen, die Ermittlungen gegen Präsidentin Dina Boluarte um acht Monate zu verlängern. Dabei geht es um die gewaltsame Niederschlagung von Protesten gegen die Regierung, die zwischen Dezember 2022 und Februar 2023 stattfanden und bei denen nach offiziellen Angaben mindestens 49 Menschen durch Schüsse seitens Polizei und Militär ums Leben kamen und hunderte weitere Menschen verletzt wurden.

Laut der Justizbehörde wird in den anstehenden Untersuchungen auch gegen Premierminister Alberto Otárola, seinen Vorgänger Pedro Angulo Arana, Verteidigungsminister Jorge Chávez Cresta, Innenminister Vicente Romero Fernández sowie die ehemaligen Minister César Augusto Cervantes und Víctor Rojas Herrera wegen Völkermordes und schweren Mordes ermittelt.

Generalstaatsanwältin Patricia Benavides gab bei der Ankündigung der Verlängerung bekannt, dass Manuel Gómez de la Torre, Leiter des gemeinsamen Kommandos der peruanischen Streitkräfte, erneut aussagen werde. Bei vorherigen Befragungen hatte er den Aussagen der Präsidentin widersprochen, sie habe keine Kenntnis über die Militäraktionen während der landesweiten Proteste gegen ihre Regierung gehabt. Auch sollen 27 Angehörige von Opfern staatlicher Repressionen sowie Personen, die während der Proteste schwere Verletzungen erlitten haben und Zeug:innen von Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte während der Proteste angehört werden.

"Diese Verlängerung war dringend notwendig. Es ist wichtig, dass die endgültige Verantwortung von Frau Boluarte und ihren Ministern festgestellt wird (…). Vor allem in Anbetracht der Aussage von Manuel Gómez de la Torre, der gesagt hat, dass Frau Boluarte von Taten wusste, und den Aussagen von [dem ehemaligen Innenminister] César Cervantes, der bestätigt hat, dass Frau Boluarte und Otárola sich während ihrer Amtszeit vom 10. bis 20. Dezember 2022 täglich getroffen haben", kommentierte der Rechtsanwalt Juan José Quispe die Ankündigung der Staatsanwältin.

Nach der Amtsenthebung und Inhaftierung des gewählten linken Präsidenten Pedro Castillo im Dezember 2022 fanden im ganzen Land Proteste statt, um gegen die Präsidentschaft von Boluarte und den Kongress zu protestieren und die Achtung der Demokratie und neue Präsidentschaftswahlen zu fordern. Die Proteste wurden von massiver, teils tödlicher Repression durch Militär- und Polizeikräfte begleitet.

Der Anwalt der Präsidentin wies bei zurückliegenden Befragungen die Existenz von "Opfern" stets zurück: Es gebe weder Opfer noch Täter, die Anklage gegen seine Mandantin sei vielmehr vollkommen haltlos. Boluarte selbst hüllt sich seit Beginn der Ermittlungen in Schweigen und verweigert jegliche Aussagen. Ihre eigene direkte Verantwortung leugnete sie schon während der Proteste stets mit den Worten: "Ich bin zwar die oberste Chefin der Streitkräfte, aber ich habe keine Befehlsgewalt" (amerika21 berichtete).

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) hatte bereits im Mai das Vorgehen des Staates als "unverhältnismäßig, wahllos und von tödlicher Gewaltanwendung geprägt" bezeichnet. Ein besonderes Ausmaß an Gewalt fand in den südlichen Regionen Juliaca und Ayacucho statt. Die CIDH bezeichnete die dort verübten Menschenrechtsverletzungen als "außergerichtliche Hinrichtungen" und schloss eine Einstufung als “Massaker” in ihrem Abschlussbericht nicht aus.

Die Ankündigung, dass die Ermittlungen gegen Boluarte ausgeweitet werden, erfolgte am Vorabend des Ablaufs der Frist, welcher der Staatsanwaltschaft gesetzt wurde, um zu entscheiden, ob gegen die Präsidentin eine Verfassungsklage eingereicht wird oder nicht.