Argentinien nach den Präsidentschaftswahlen

Unterschiedliche Reaktionen auf Wahlsieg des ultraliberalen Javier Milei. Die Aktienmärkte wittern Aufbruchsstimmung, Lebensmittelpreise steigen. Treffen zwischen Milei und Fernández

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Milei bei seiner ersten Rede nach dem Wahlsieg
Milei bei seiner ersten Rede nach dem Wahlsieg

Buenos Aires. Zwei ernste Gesichter haben sich am Dienstagmorgen im argentinischen Präsidentenpalast getroffen. Über zwei Stunden sprachen der amtierende Präsident Alberto Fernández und sein Nachfolger, Javier Milei, über die verbleibenden Tage bis zur Amtsübergabe am 10. Dezember. Am Ende war in zwei kurzen Kommuniqués von einem "netten und herzlichen Treffen" zu lesen, der genaue Inhalt wurde nicht bekannt.

Die argentinische Zeitung El Diario AR wertete die Zusammenkunft als wichtigen Schritt, um eine ordentliche Übergabe der Amtsgeschäfte zu ermöglichen. Dies schien am Wahltag noch unwahrscheinlich.

Nachdem klar wurde, dass Milei die Wahl gewonnen hatte, sagte der Verlierer und aktuelle Wirtschafts- und Finanzminister, Sergio Massa, dass ab dem nächsten Tag Milei für die wirtschaftliche Stabilität des Landes verantwortlich sei. Man erwartete zu diesem Zeitpunkt einen weiteren schnellen Absturz der argentinischen Wirtschaft.

Indessen reagierten die Märkte am Wochenstart gemischt auf den Wahlsieg Mileis. Der argentinische Peso verlor auf den Märkten rund 13 Prozent seines Wertes und lag am Abend des 21. November bei 1.075 Pesos für einen Dollar. Derweil fixierte die Regierung den offiziellen Wechselkurs bei 635 Pesos für einen Dollar. Die Lebensmittelpreise stiegen teilweise um 45 Prozent.

Der argentinische Aktienmarkt erlebte einen sprunghaften Anstieg der Werte von gut 22 Prozent. Manche Aktien, wie die des halbstaatlichen Ölkonzern YPF, erreichten bis zu 44 Prozent an Wertgewinn. Gegenüber der spanischen Zeitung El País sagte Javier Timerman vom Finanzunternehmen Adcap Grupo Financiero, "der Finanzsektor sieht den Wahlsieg Mileis positiv", insbesondere die Privatisierung öffentlicher Unternehmen und die Aussicht, dass Schulden beim Internationalen Währungsfonds getilgt werden.

Ein zusätzlicher Faktor sei insbesondere die Unterstützung Mileis durch einen Teil der traditionellen Rechten, unter anderem durch den ehemaligen Präsidenten Mauricio Macri. "Dies gibt ihm Glaubwürdigkeit und politische Unterstützung", so Timerman. Milei und seine engsten Anhänger haben keinerlei Regierungserfahrung. Es wird daher damit gerechnet, dass viele Posten durch die traditionelle Rechte besetzt werden.

Für einen Großteil der Bevölkerung sind die wirtschaftlichen Aussichten weniger rosig. Es werden Lohnkürzungen, ein noch drastischerer Wertverlust des Peso und weiter steigende Preise erwartet. Gegenüber El País meinte ein Arbeiter und Anhänger von Milei, "wir wissen, dass radikale Veränderungen auf uns zukommen, dass wir alle darunter leiden werden, aber es dient einer größeren guten Sache".

Argentinien leidet derzeit unter einer Inflation von monatlich über zehn Prozent. Schon jetzt kündigte Milei an, er bräuchte bis zu zwei Jahren, um diese unter Kontrolle zu bringen.

Bislang ist in den meisten Fällen unklar, wer welche Ministerien besetzen wird. Das "Büro des gewählten Präsidenten" schrieb in einer Pressemitteilung, dass man bis zum Regierungsantritt vom 10. Dezember keine Besetzungen für Ministerposten verkünden würde.

Zur gleichen Zeit wurde allerdings bekannt, dass Guillermo Ferraro, Manager und ehemaliges Mitglied der rechten Koalition Cambiemos, das Infrastrukturministerium übernehmen wird. In Radio Mitre kündigte er einen Ausbau der Infrastruktur "auf die chilenische Art und Weise" an, sprich mit Hilfe von privaten Unternehmen, die etwa den Bau von Autobahnen finanzieren, sie später betreiben und dafür Gebühren verlangen.

Wie Milei einen großen Teil seiner Privatisierungsabsichten umsetzen will, ist allerdings unklar. Seine Partei stellt gerade einmal zehn Prozent in der Abgeordnetenkammer und 15 Prozent im Senat des Nationalkongresses. Kurz vor der Wahl schwächte Milei seine Ankündigungen ab. Er werde die Sozialprogramme nicht, wie ursprünglich propagiert, massiv kürzen und keine öffentlichen Angestellten kündigen, sondern diese lediglich neu verteilen.

Eine Möglichkeit, das Regierungsprogramm als Minderheit im Parlament durchzusetzen, sei per Dekret, schrieb der Journalist Juan José Dominguez. Dies dürfte allerdings weitreichende Proteste im Parlament und seitens sozialer Bewegungen mit sich bringen.

Schon jetzt kündigte der Wortführer der MTE, der Bewegung der ausgeschlossenen Arbeiter (Movimiento de Trabajadores Excluidos), Juan Grabois, Widerstand an. "Niemand gibt hier auf, sollte man uns verfolgen, wird das die Schmiede für die Zukunft sein ... und der Traum von einem gerechten, freien und souveränen Land für immer leben", schrieb er auf X.