Die Mobilisierung gegen die wirtschaftliche Schocktherapie in Argentinien beginnt schon

Gewerkschaftsverbund, Bewegung der Arbeitslosen und soziale Organisationen rufen zum Protest gegen die Anpassungsmaßnahmen der Regierung Milei auf

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Gewerkschaften in Argentinien sehen sich in ihrer Fähigkeit zur Mobilisierung gefordert
Gewerkschaften in Argentinien sehen sich in ihrer Fähigkeit zur Mobilisierung gefordert

Buenos Aires. Der argentinische Gewerkschaftsverbund Central de Trabajadores de Argentina-Autónoma (CTA-A) hat nach den von der Regierung von Javier Milei angekündigten Anpassungsmaßnahmen seine ständige Versammlung ausgerufen. Die Piqueteros, die Bewegung der Arbeitslosen, formiert sich neu und hat für den Mittwoch einen "aktiven Streik" und einen Marsch zum Plaza de Mayo angekündigt.

Alle Anzeichen lassen erwarten, dass organisierte soziale Kräfte sich anschließen und im Widerstand gegen die wirtschaftliche Schocktherapie der Regierung zusammenkommen werden. Die CTA-A erklärte, sie komme der Notwendigkeit nach, die Einheit der popularen Schichten und die Fähigkeit zum Widerstand zu stärken. Die Stimmen aller Sektoren müssten gehört und Souveränität, Arbeit, Produktion, soziale Gerechtigkeit und Demokratie verteidigt werden.

Indes hat Innenministerin Patricia Bullrich ein Protokoll erlassen, das ein gewaltsames Vorgehen gegen jene vorsieht, die auf die Straße gehen, um gegen die Folgen der Sparmaßnahmen der Regierung zu demonstrieren. Demonstrationen, die den Verkehrsfluss und die Geschäftstätigkeit im Land beeinträchtigen, sollen strikt unterbunden werden.

Am Dienstag vergangener Woche hatte Wirtschaftsminister Luis Caputo angekündigt, dass staatliche Arbeitsverträge mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr nicht verlängert werden. Er bestätigte außerdem die Reduzierung der Ministerien von 18 auf neun und der Sekretariate von 106 auf 54.

Dies bedeute die Streichung von mehr als 50 Prozent der höheren Positionen im öffentlichen Dienst und von 34 Prozent aller politischen Beamten, erklärte er.

Ferner berichtete der Minister über die Kürzung der Energie- und Verkehrssubventionen, die deutliche Abwertung des Peso, das Ende der Vergabe öffentlicher Arbeiten wie im Bereich des Wohnungsbaus und die Reduzierung der Transferzahlungen an die Provinzen auf ein Minimum.

Die Abschaffung der Energie- und Verkehrssubventionen hält für die Regierung den größten Posten an Einsparungen bereit, einen Anteil am Gesamtetat von etwa zehn Prozent. Die einkommensschwachen Schichten werden über die Kosten für Haushalt und persönliche Mobilität besonders hart getroffen.

Die Kritik an der Wirtschaftspolitik des Kabinetts Milei fasste der Generalsekretär der CTA-A, Hugo Godoy, auf einer Pressekomferenz zusammen. Er prangerte die extreme Rohheit und Brutalität der von der neuen Führung des Landes beschlossenen Maßnahmen an und warnte, dass diese zu einer Rezession und Hyperinflation führen würden.

Es werde eine wirtschaftliche Konzentration für Finanz- und Spekulationsgruppen gegen die Löhne, die nationale Industrie und die Provinzen eintreten. Die Währungsabwertung von 118 Prozent, die die Regierung versuche zu rechtfertigen, werde die Armut innerhalb von Wochen vervielfachen, fügte Godoy hinzu.

Er wies die Unterstützung des Internationalen Währungsfonds (IWF) für diese Maßnahmen zurück und versicherte, dass die CTA-A alle Arbeitsplätze verteidigen und alles tun werde, um eine Politik der Rückschritts und des Souveränitätsverlustes zu verhindern.

Weitere Führungspersönlichkeiten der Arbeiterschaft, der organisierten Arbeitslosen und sozialer Bewegungen betonten ihre Ablehnung der wirtschaftlichen Schockmaßnahmen. Sie prangerten den "sozialen Mord" an "wehrlosen Opfern" an. Die Mittelschicht werde mit dem Anstieg der Lebenshaltungskosten und mit dem Verlust von Arbeitsplätzen unverzüglich in die Armut gestürzt.

Alejandro Gramajo, Generalsekretär der Unión Trabajadores de la Economía Popular (UTEP), erklärte: "Offensichtlich wird die Anpassung von den Armen und den Arbeitern bezahlt, sie frieren das per Gesetz geschaffene ergänzende Sozialgehalt ein; sie machen eine Abwertung von 120 Prozent an einem Tag. All dies sind Maßnahmen, die direkt in die Taschen der Arbeitnehmer, Rentner und Armen greifen. Weitere Preiserhöhungen bei Lebensmitteln, im öffentlichen Verkehr, bei der Energie, mehr Rezession, was zu weniger Beschäftigung und schlechterer Arbeit, weniger Arbeitsplätzen führt".

Bereits wenige Stunden nach der Veröffentlichung von Bullrichs Protokoll zur "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts von Straßensperren" im Amtsblatt begannen zahlreiche Sozial-, Gewerkschafts- und Menschenrechtsorganisationen mit der Vorbereitung von Eingaben an die Vereinten Nationen und die Interamerikanische Menschenrechtskommission, um anzuprangern, dass die Regierung versuche, den Protest im Land zu verbieten. Gewerkschafter warnten, dass das Vorgehen der Innenministerin nicht nur ein Angriff auf das Recht auf freie Meinungsäußerung, sondern auch auf die Gewerkschaftsfreiheit sei.

Dem Protokoll zufolge können Organisationen ihren rechtlichen Status verlieren, migrantische Demonstrierende abgeschoben werden, und Eltern, die ihre Kinder zu einem Marsch mitnehmen, würden stigmatisiert. Darüber hinaus sollen Daten von Protestierenden entgegen gültigen Gesetzen geheimdienstlich erhoben werden.

"Mit der Umsetzung des Protokolls hört der soziale Protest auf, ein Recht zu sein, und wird zu einem Verbrechen", warnte Diego Morales, Leiter der Abteilung für Rechtsstreitigkeiten und Rechtsverteidigung des Zentrums für juristische und soziale Studien.

Auch die Vereinigung der Mütter der Plaza de Mayo lehnt die von Bullrich angekündigten Maßnahmen entschieden ab. In einer Erklärung bezeichneten sie diese als "gewalttätig, verfassungswidrig und faschistisch" und warnten, dass es sich um Richtlinien handelt, die "die Mindestgarantien verletzen, die ein demokratisches System von einer Diktatur unterscheiden".