Ausnahmezustand in El Salvador wird im Land zunehmend infrage gestellt

Regierung Bukele rechtfertigt sich mit der Bekämpfung der Banden. Experten bezeichnen hohen Anteil der inhaftierten Bevölkerung als "Zeitbombe"

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Überzeugt von der miitärischen Lösung: Präsident Bukeles Headerbild bei Twitter (X)
Überzeugt von der miitärischen Lösung: Präsident Bukeles Headerbild bei Twitter (X)

San Salvador. Die Bevölkerung von El Salvador verfolgt heute die Politik mit einem skeptischen Blick auf Umfrageergebnisse, Erklärungen und Ankündigungen von Regierungsmaßnahmen, die sich auf ihre Zukunft auswirken, so internationale Kommentatoren.

Der Ausnahmezustand, der in dieser Woche zum 18. Mal verlängert wurde, wird von der Regierung des Präsidenten Nayib Bukele als Schlüsselelement vom "Plan zur territorialen Kontrolle" in der Konfrontation mit den kriminellen Banden präsentiert.

Die Ergebnisse sprechen für sich, die Regierung hat mit dieser Politik einen Volltreffer gelandet, wie Oscar Picardo, ein renommierter Forscher und lokaler Akademiker, gegenüber Prensa Latina bei der Bewertung der Ergebnisse sagte. Aber wie sich mit der Zeit gezeigt hat, ruft etwas, das laut Verfassung nur einen Monat lang angewendet werden sollte, inzwischen ernsthafte Bedenken hervor.

Eine Online-Umfrage der Zeitung La Prensa Grafica (LPG) mit einer einzigen Frage: "Denken Sie, dass das Notstandsregime in El Salvador nach fast zwei Jahren fortgesetzt werden sollte?", scheint mehrere Fragen zu beantworten. Nur 36 Prozent sagten, dass es fortgesetzt werden sollte, 59 Prozent sagten "Nein" und drei Prozent waren unentschieden. 1.711 Personen haben geantwortet.

Das Problem zeigt sich auch, wenn gewichtige Stimmen wie Picardo, Direktor des Instituts für Wissenschaft, Technologie und Innovation der Universität Francisco Gavidia, darauf hinweisen, dass das derzeitige Notstandsregime nicht eingerichtet wurde, um Bandenmitglieder zu fassen, sondern um allgemeine Angst zu erzeugen, damit die Bevölkerung diszipliniert wird und Respekt oder Angst vor der Staatsautorität hat.

"Dieser Ausnahmezustand zielt darauf ab, dass wir Panik vor der Polizei und den Soldaten haben, es ist eine Form der sozialen Disziplinierung. Es gibt ein allgemeines Gefühl, dass sich das Land in Bezug auf die Sicherheit verändert hat und die Kollateralschäden, die durch eben dieses Phänomen verursacht werden, zweitrangig sind", sagte er in Stellungnahmen, die von der Zeitung Colatino zitiert wurden.

In diesem Zusammenhang und eng mit dem Thema verbunden, bestätigte der Minister für Sicherheit und Justiz, Gustavo Villatoro, einem internationalen Medium, dass in den Gefängnissen des Landes bereits mehr als 100.000 Häftlinge untergebracht sind. Einem Bericht der Zeitung LPG zufolge beläuft sich die Zahl der Insassen in den Gefängnissen auf etwa 105.100 [das bedeutet, jede 60. Person im Land ist inhaftiert - die Red.].

Villatoro gab diese Information in einem Interview mit dem internationalen Medienunternehmen Bloomberg. "Die Zahl der Häftlinge in El Salvador hat sich unter den Maßnahmen von Präsident Nayib Bukele gegen die Banden in weniger als zwei Jahren auf 100.000 verdreifacht", sagte er.

Von dieser Zahl entfallen etwa 72.000 auf Verhaftungen, die nach der Verhändung der Ausnahmezustands am 27. März 2022 ‒ und der Aussetzung von mindestens drei verfassungsmäßigen Rechten für alle Salvadorianer, unabhängig davon, ob sie Bandenmitglieder sind oder nicht ‒ vorgenommen wurden.

Besorgniserregend ist auch, dass es sich laut Berichten bei 80 Prozent der unter dem Notstandsregime Verhafteten um junge Menschen handelt, darunter einige, die fast noch Kinder sind, die aber von der Justiz hart behandelt werden und denen das Recht auf Rehabilitation und Wiedereingliederung in die Gesellschaft verweigert wird.

Vor März 2022 befanden sich rund 40.000 Menschen in den Gefängnissen, was bedeutet, dass sich die Zahl bis heute verdreifacht hat.

Es ist offensichtlich, dass die Mordrate gesunken ist, seit die Gefängnisse des Landes überfüllt sind. Aber darunter sind auch unschuldige Menschen, die nichts mit den kriminellen Gruppen zu tun haben. Selbst die Regierung erklärt, etwa 7.000 wieder freigelassen zu haben, aber viele Angehörige beklagen, dass einige immer noch nicht entlassen worden sind.

Die Situation ist in der Tat schwierig und komplex für die Behörden. Das System ist bereits überlastet: In den ältesten Gefängnissen des Landes sind heute 88.000 Häftlinge untergebracht, gegenüber 30.000 vor dem Ausnahmezustand, wie Bloomberg am 12. September berichtet.

Das Parlament genehmigte die 18. Verlängerung des Ausnahmezustands, ohne die Daten über die Anzahl der Verhafteten zu aktualisieren, wie es bei den 17 vorherigen Gelegenheiten der Fall war.

Es gibt einige Experten für den Strafvollzug, die davon ausgehen, dass, wenn es keine Veränderung gibt, El Salvador eine Zeitbombe in seinen Gefängnissen vorbereitet, und sie schließen nicht aus, dass es zu Gewaltausbrüchen kommt, deren Folgen unabsehbar sind.