Umweltaktivisten und indigene Organisationen in Chile gegen die Lithiumverträge

Einbeziehung der örtlichen Gemeinschaften in Entscheidungen steht in Frage. Wirtschaftszahlen bestätigen das Schicksal reiner Rohstofflieferanten

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Lithiumausbeutung und der Einspruch der örtlichen Bevölkerung
Lithiumausbeutung und der Einspruch der örtlichen Bevölkerung

Antofagasta. Erst kürzlich hat Chiles Präsident Gabriel Boric die staatlich-private Ausbeutung der immensen Lithiumvorkommen in der Salpeterwüste als "beispiellosen Meilenstein in der Bergbauindustrie und konkreten Schritt in Richtung einer fairen und nachhaltigen Entwicklung" gelobt.

Die Anwohner der Region im Norden des Landes sehen das jedoch anders und organisieren sich gegen die Verträge, die für die nächsten 30 Jahre und darüber hinaus ihr Leben und ihre Umwelt nachhaltig verändern werden.

Die vom Staat zugesagte Beteiligung des Consejo de Pueblos Atacameños (Rat der Atacamavölker) bei der Planung und Durchführung der Lithiumförderung hat bisher zu keiner formalisierten Zusammenarbeit geführt. Der Rat der Atacamavölker, der 18 Gemeinschaften vertritt, hat deshalb zu Aktionen aufgerufen, um seiner Erwartung Nachdruck zu verleihen.

Am 23. Januar kam es zu einer Blockade der Zufahrt zu einer Anlage des privaten chilenischen Chemiekonzerns Sociedad Química y Minera (SQM). Seitdem finden immer wieder Aktionen statt und der Rat hat eine unbefristete Alarmbereitschaft ausgerufen. Präsidenten Boric ist aufgefordert, sich persönlich vor Ort ein Bild von der Situation zu machen und konkrete Maßnahmen zur Erfüllung der gegebenen Versprechungen zu ergreifen.

Die Forderungen der Gegner der Übereinkunft zwischen der staatlichen Kupfergesellschaft Codelco und der Firma SQM zur Lithiumförderung und Verwertung lassen sich in drei Punkten zusammenfassen: Anerkennung des althergebrachten Eigentums der Atacamavölker am Salzsee und seiner Umgebung; das Übereinkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über "eingeborene und in Stämmen lebende Völker" muss in vollem Umfang angewendet werden; schließlich wird die rechtzeitige und nachhaltige Einbeziehung der Gemeinschaften in alle sie betreffenden Entscheidungen gefordert.

Im Dezember 2023 erzielten die beiden Firmen und eine Abordnung des Rates der Atacamavölker in Gesprächen über diese drei Punkte eine Übereinkunft. Nur etwa zwei Wochen später unterschrieben die Firmen jedoch ein Memorandum zur Zusammenarbeit, indem die vorher besprochenen Punkte mit keinem Wort erwähnt wurden.

Seither zweifeln die Atacamabewohner an den Versprechungen der Bergbauministerin Aurora Williams, die vor der Presse äußerte: "Wir wollen eine Lithiumexploration und -förderung, die zwei relevante Punkte aufweist: Es sind neue Technologien, sodass wir dies effektiv im ökologischen Gleichgewicht und unter voller Beteiligung der Gemeinden tun."

Insbesondere bei der Rohstoffgewinnung ist neue, umweltschonende Technologie gefragt. Während bei der Erzförderung in der Regel lediglich totes Gestein bewegt wird, kommt bei der mineralischen Lithiumgewinnung Verdunstung zum Einsatz. Zur natürlichen Verdunstung kommt noch die künstliche hinzu, die schließlich das "weiße Gold" zurücklässt. Das Absinken des Oberflächenwassers und unterirdischer Speicher als Folge ist bisher nicht ausreichend erforscht.

Erste Auswirkungen der industriellen Lithiumgewinnung werden jedoch schon von den wenigen Oasen der trockensten Wüste der Welt sichtbar. In der kleinen Ortschaft Toconao, die in der Nähe des Salzsees liegt, soll die Produktion von Obst und Gemüse um 70 Prozent zurückgegangen sein, es werden verheerende Folgen für die ortsnahe Versorgung der Menschen befürchtet. Früher wurden die Produkte sogar im 140 Kilometer entfernten Calama verkauft.

Während der Rat der Atacamavölker auf die Erfüllung seiner Forderungen und der gemachten Zusagen wartet, sind auf der wirtschaftlichen Seite bereits Fakten geschaffen worden, wie die Exportzahlen für 2023 ausweisen. Mit 230.000 Tonnen wurden 15 Prozent mehr Lithiumprodukte als in 2022 gefördert und exportiert. China ist Hauptabnehmer, in der Hauptsache von Lithiumcarbonat, Lithiumhydroxid und Lithiumsulfat.

Trotz eines beachtlichen Zuwachses der Fördermenge ging der Erlös jedoch um 300 Millionen US-Dollar auf 7,8 Milliarden zurück. Dies macht die Abhängigkeit der rohstofffördernden Länder vom internationalen Börsengeschehen deutlich. Solange diese Länder nicht in der Lage sind, durch Technologie und Industrialisierung die Wertschöpfung in der heimischen Wirtschaft zu entwickeln, bleiben sie von der Achterbahnfahrt der Börsenkurse abhängig und müssen mit zurückbleibenden Umweltschäden selbst klarkommen.

Unter dem Motto der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen, "Europa ist zurück in Lateinamerika", das dort anders klingt als in Brüssel, präsentierte die Politikerin im Juni 2023 die Wünsche der Europäischen Union nach einer stabilen Energieversorgung. Während einer Reise nach Mexiko, Brasilien, Argentinien und Chile stand beim Treffen der EU-Spitzenpolitikerin mit dem chilenischen Präsidenten das Potenzial für grünen Wasserstoff und der Aufbau einer nachhaltigen Lithiumindustrie im Mittelpunkt (amerika21 berichtete).