Brasilien entschuldigt sich bei Indigenen für Verfolgung und Mord während Diktatur

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Die Präsidentin der Amnestiekommission kniete vor Vertreter:innen der Krenak und Guarani-Kaiowá nieder (Screenshot)
Die Präsidentin der Amnestiekommission kniete vor Vertreter:innen der Krenak und Guarani-Kaiowá nieder (Screenshot)

Brasília. In einem symbolträchtigen Akt hat der brasilianische Staat erstmals die Verbrechen an Angehörigen der indigenen Volksgruppen der Krenak und Guarani-Kaiowá anerkannt und die Angehörigen der Opfer um Entschuldigung gebeten.

In einem Saal des Ministeriums für Menschenrechte und Bürgerschaft, der überwiegend mit Indigenen besetzt war, kniete die Präsidentin der Amnestiekommission vor Vertreter:innen der Krenak aus Minas Gerais und Guarani-Kaiowá aus Mato Grosso do Sul nieder. Die Jura-Professorin Enea Stutz de Almeida entschuldigte sich "im Namen des brasilianischen Staates" für die Verbrechen, die seit den 1940er Jahren an den Indigenen begangenen wurden.

Während der zivil-militärischen Diktatur (1964-1985) ermordete der Staat mindestens 8.350 Indigene und vertrieb 23 Völker aus ihren Gebieten. Eine spezielle Polizeieinheit folterte und verschleppte sie. Die von den Indigenen zwangsweise verlassenen Gebiete wurden meist von Unternehmen der Agrarindustrie in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt.

Zum ersten Mal urteilte die Amnestiekommission nun über Verbrechen, die vom Staat an Kollektiven begangen wurden. Das 20-köpfige Organ wurde 2002 eingerichtet, um die Vergehen zu rekonstruieren und den Opfern und ihren Familien, die während der Diktatur politisch verfolgt wurden, Wiedergutmachung zukommen zu lassen. Die Kommission untersteht dem Ministerium für Menschenrechte und hat beratende Funktion. Seit einem Jahr ist auch die Indigene Maira Pankararu Mitglied.

Über die Entschuldigung der Kommissionspräsidentin hinaus wurden dem Staat konkrete Maßnahmen zur Wiedergutmachung empfohlen: Demarkierung von Territorien sowie Verbesserung der Gesundheitsversorgung. Da es sich um eine kollektive Wiedergutmachung handelt, beinhaltet die Entscheidung der Kommission keine finanzielle Reparation.

Die Völker der Krenak und Guarani-Kaiowá kämpfen seit langem für diese Anerkennung und für die Demarkierung ihrer Territorien. Der Antrag der Krenak auf kollektive Wiedergutmachung wurde seit 2015 auch von Bundesbehörden (MPF, Ministério Público Federal) unterstützt. Nachdem er während der Amtszeiten der Präsidenten Dilma Roussef (2009-2016) und Michel Temer (2016-2018) in der Amnestiekommission feststeckte, wurde er 2022 unter der Regierung von Jair Bolsonaro (2019-2022) abgelehnt.

Im März 2023 ermöglichte eine Änderung der Geschäftsordnung der Amnestiekommission, laut der den Opfern der Diktatur auch kollektive Wiedergutmachung zu gewähren sei, die Wiederaufnahme des Verfahrens. Auch zuvor abgelehnte Entscheidungen, wie im Fall der Krenak, konnten nun überprüft werden.

Laut der Aktivistin und Indigenen-Anführerin Shirlei Krenak "kommt die führende Rolle nicht denen zu, die niederknieten. Sondern denen, die bis zum heutigen Tag stehen geblieben sind, um sich allem zu stellen, was in diesem Prozess gesagt wurde", betonte sie im Gespräch mit amerika21.

Es war nicht das erste Mal, dass der Staat erfolgreich angeklagt wurde. 2021 verurteilte das 14. Bundesgericht von Minas Gerais den Staat, die Indigenenbehörde Funai und das Bundesland Minas Gerais wegen Menschenrechtsverletzungen an Indigenen (amerika21 berichtete). Das Gericht bezog sich in seinem Urteil auf Folter und andere schwere Menschenrechtsverletzungen, die in der als "Besserungsanstalt Krenak" bekannten Einrichtung gegen Indigene begangen wurden. Diese wurde 1969 in der Gemeinde Resplendor (Minas Gerais) gemeinsam von Militärpolizei und Funai errichtet.

"Rebellische" indigene Menschen aus dem ganzen Land wurden während der Diktatur zur Umerziehung in die Anstalt geschickt. Als Rebellen galten alle Indigenen, die etwa Anordnungen einer Polizeibehörde nicht nachkamen. Auch "verbale Respektlosigkeit oder Alkoholismus" konnten zur Einweisung führen.

Für die aktuelle Funai-Präsidentin Joenia Wapichana – mit ihr hat erstmals eine Indigene diese Posten inne – ist die Entscheidung der Amnestiekommission wegweisend und bedeutend, um die Erinnerung an unbekannte Geschehnisse herzustellen. "Erinnerung ist für indigene Völker sehr wichtig. Dank ihr wissen wir, woher wir kommen und wohin wir gehen. Es ist wichtig, dass diese Erinnerung öffentlich gemacht wird. Nicht nur in Berichten – wir wissen, dass es viel Gewalt gab – sondern auch in Bezug auf staatliche Maßnahmen. Damit Gewalt und Verbrechen tatsächlich behoben und vor Gericht gebracht werden", so Joenia. "Alle indigenen Völker verdienen Gerechtigkeit. Historische Wiedergutmachung ist äußerst wichtig."