Honduras / Wirtschaft / Politik

Honduras tritt aus Schiedsgericht der Weltbank aus

Bis zur Rechtswirksamkeit des Schrittes werden noch viele Klagen erwartet. Kritik vom Unternehmerverband. Keine Klarheit, ob politischer Wille zur Abschaffung der "Privatstädte" umgesetzt wird

350781531_1946108635748017_3893190995574203697_n.jpg

Regierungsmitglieder sprechen sich gegen die Privatstädte aus: Pressekonferenz vom 31. Mai 2023
Regierungsmitglieder sprechen sich gegen die Privatstädte aus: Pressekonferenz vom 31. Mai 2023

Tegucigalpa. Am 24. Februar hat Honduras seine Mitgliedschaft beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes – ICSID) aufgekündigt. Das ICSID ist eine Schiedsinstitution, die der Weltbankgruppe angehört. Die Aufkündigung wird zum 25. August rechtswirksam. Gemäß Artikel 72 des ICSID-Abkommens sind laufende Schiedsverfahren über Klagen, bei denen Honduras beteiligt ist, davon nicht betroffen.

Für Alejandro Kafati, Mitglied des Unternehmerverbandes Cohep, ist dies eine "schlechte Entscheidung". In den verbleibenden sechs Monaten würde sich die Anzahl der Klagen gegen Honduras erhöhen. "Honduras ist nun ein risikoreiches Land. Praktisch schließt die Regierung die Türen für ausländische Investoren", so Kafati. Zugleich würde das Land gegenüber multilateralen Finanzinstitutionen an Glaubwürdigkeit verlieren, erklärte er weiter.

Das ICSID kann zur Streitbeilegung zwischen Investoren und Staaten im Rahmen von bilateralen und multilateralen Investitionsschutzabkommen einberufen werden (amerika21 berichtete). Das ICSID ist das meistgenutzte, aber nur eine unter mehreren Einrichtungen. Allen Streitschlichtungssystemen gemeinsam ist jedoch, dass immer nur ausländische Investoren gegen Staaten klagen, staatliche Klagen gegen internationale Investoren hingegen nicht vorgesehen sind.

Die unabhängige Beobachtungsstelle Lawfare bezeichnet die internationalen Schiedsgerichtsverfahren als "Waffe des privaten Sektors in einem Krieg mit anderen Mitteln gegen die Souveränität von Staaten in Randlage".

Im Mai 2023 äußerte sich die honduranische Kommission zur Verteidigung der Souveränität und des Territoriums über vermeintliche Verfahrensfehler des ICSID. Dabei bezog sich die Kommission auf die Klage des Unternehmens, das die Sonderzone für Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung (Zede) "Próspera" betreibt. Deren Klage könnte Honduras mehr als 10,7 US-Milliarden Dollar kosten. Próspera beanstandet mutmaßliche Verletzungen des Freihandelsabkommen zwischen den USA, den Staaten Zentralamerikas und der Dominikanischen Republik (CAFTA-DR). Die anvisierte Summe stellt zwei Drittel des honduranischen Haushaltbudgets von 2023 dar.

Zedes sind Privatstädte, extraterritoriale Enklaven, die weder nationale noch internationale Sozial-, Arbeits- und Umweltstandards respektieren. Laut einem Kommuniqué honduranischer Wissenschaftler:innen werden auch internationale Standards in Bezug auf Stammzellforschung verletzt. Sie drücken ihre Sorge über bekannt gewordene Stammzell- und andere biomedizinische Experimente in der Zede Próspera aus und fordern deren Stopp und Kontrolle durch die honduranische Bioethik-Kommission.

Im April 2022 setzte der honduranische Kongress einstimmig das im Jahr 2013 verabschiedete Gesetz über die Zede außer Kraft. Begründet wurde diese Entscheidung durch die Regierung unter der fortschrittlichen Präsidentin Xiomara Castro damit, dass das Gesetz verfassungswidrig sei und die Souveränität des Landes verletze.

Unklar ist allerdings, was mit den bestehenden Zedes passiert. Gemäß der honduranischen Verfassung muss jede Verfassungsreform in einer ordentlichen Sitzung mit zwei Dritteln der Abgeordneten angenommen und in der darauffolgenden ordentlichen Legislaturperiode mit der gleichen Stimmenzahl ratifiziert werden, um in Kraft zu treten. Das ist bisher ausgeblieben. Der 31. Oktober 2023 wäre der letzte Tag für die Ratifizierung gewesen.

Honduras hat in der Klage durch Próspera keine eigene Rechtsvertretung beim ICSID gewählt. Die Weltbank hat nun einen Pflichtverteidiger für Honduras bestellt. Neben dem multinationalen Freihandelsabkommen CAFTA-DR ist Honduras auch Vertragspartei von acht bilateralen Investitionsabkommen (BITs), die derzeit in Kraft sind und ein ICSID-Schiedsverfahren vorsehen. Die Aufkündigung des ICSID stellt für die transnationalen Unternehmen kein Problem dar, da sie nach wie vor über BITs bei internationalen Schiedsgerichten gegen Honduras klagen können. In diesen Abkommen wurden sogar Klauseln, die sogenannten "sunset clause", vereinbart, wonach Investoren noch bis zu 15 Jahren nach Kündigung eines Freihandelsvertrages gegen Staaten vorgehen können.