Argentinien: Gewalt und Provokationen der Regierung im Vorfeld des Jahrestags des Militärputsches

Proteste im Gedenken an die Diktatur geplant. Überfall auf Mitglied von Angehörigenorganisation. Verteidigungsminister bei ultrarechter Veranstaltung

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Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen rufen zum 24. März zum Gedenken an die Diktatur auf.
Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen rufen zum 24. März zum Gedenken an die Diktatur auf.

Buenos Aires. Am 24. März jähren sich zum 48. Mal der Militärputsch und der Beginn der sieben Jahre dauernden zivil-militärischen Diktatur in Argentinien (1976–1983). Seit 2002 wird das Datum offiziell als "Nationaler Erinnerungstag für Wahrheit und Gerechtigkeit" begangen.

Auch dieses Jahr rufen Menschenrechtsorganisationen zusammen mit den zwei großen Gewerkschaftsdachverbänden CGT und CTA sowie zahlreichen sozialen Organisationen zu landesweiten Demonstrationen auf.

Wie erst kürzlich bekannt wurde, ist am 5. März in Buenos Aires eine Angehörige der Organisation H.I.J.O.S. von bewaffneten Unbekannten in ihrem Haus überfallen, missbraucht und mit dem Tod bedroht worden. "Wir wissen, dass du dich für Menschenrechte einsetzt. Halt den Mund. Schau, was dir passiert, wenn du den Mund aufmachst", war die Botschaft der beiden Männer an ihr Opfer. "Wir sind nicht gekommen, um dich auszurauben, sondern um dich zu töten. Sie bezahlen mich dafür." Erst nach einer Stunde ließen die Täter von der Frau ab. Sie hinterließen an den Wänden ihrer Wohnung die Botschaft "VLLC". Die Abkürzung steht für den Slogan "Viva la libertad, carajo", der frei übersetzt so viel bedeutet wie: "Es lebe die Freiheit, verdammt noch mal." Er gilt als Markenzeichen des rechtsradikalen Präsidenten Javier Milei, der es sich zur Angewohnheit gemacht hat, seine Reden mit diesen Worten zu beenden.

Das Opfer, das vorerst anonym bleiben will, sagte gegenüber der Tageszeitung Pagina12: "Hier versucht jemand Terror zu säen, um ein wirtschaftliches und politisches Projekt zu installieren, das nur mit Blut durchgesetzt werden kann."

Agustín Cetrángolo, Sprecher von H.I.J.O.S. ergänzte: "Das ist eine Botschaft an unsere Organisation und an die Menschenrechtsbewegung als Ganze. Sie haben offen gesagt, dass es ihnen darum geht Angst zu säen." Die Organisation H.I.J.O.S. wurde 1995 von Töchtern und Söhnen von "Verschwundenen" als Reaktion auf die damals geltende Straflosigkeit für die Täter der Diktatur gegründet.

Unterdessen stärken Mitglieder der Regierung ihre Verbindungen zu ultrarechten Kreisen, die sich für die Freilassung verurteilter Diktaturverbrecher einsetzen. Verteidigungsminister Luis Petri zeigte sich zuletzt bei einer Veranstaltung der "Vereinigung von Angehörigen und Freunden der politischen Gefangenen in Argentinien" (AFyAPPA). Gemeint sind damit die wegen Entführung, Folter, Mord, Vergewaltigung und Kindesraub strafrechtlich verurteilten Täter der zivil-militärischen Diktatur. Im Januar hatte die Gruppierung in der Tageszeitung La Nación einen offenen Brief veröffentlicht, in dem sie der Regierung vorwarf, ihre vor der Wahl gemachten Versprechen zur Freilassung der Täter nicht zu halten.

Bei der besagten Veranstaltung, der Präsentation einer Biografie des Militärs Argentino del Valle Larrbure, der 1975 in einem "Volksgefängnis" der linken Guerillaorganisation ERP ums Leben kam, sagte Petri: "Unsere Streitkräfte wurden aus ideologischen Gründen dämonisiert, beschimpft, attackiert, verfolgt. Ich bin gekommen, um für das Vergessen dieses Helden in Zeiten der Demokratie um Vergebung zu bitten."

Vor 20 Jahren hatte der damalige Präsident Néstor Kirchner im Zuge der Gründung des Erinnerungsortes im ehemaligen Folterzentrum ESMA mit ganz ähnlichen Worten um Vergebung für das Vergessen der Opfer der Diktatur gebeten.

Unterdessen kursieren in manchen Medien Gerüchte, Präsident Milei würde just am 24. März ein Dekret verabschieden, mit dem die verurteilten militärischen Täter freigelassen oder in Hausarrest entlassen würden. In einer Pressekonferenz dementierte Verteidigungsminister Petri auf entsprechende Nachfrage eines Journalisten mit den Worten: "Das steht nicht auf der Agenda der Regierung."

Überraschend wäre eine derartige Provokation der Regierung jedoch nicht.

Am Internationalen Frauentag, dem 8. März, hatte der Sprecher des Präsidenten die Umbenennung des "Salon der Frauen" im Präsidentenpalast, in welchem die Bilder berühmter Argentinierinnen ausgestellt sind, in "Salón der Gründungsväter" verkündet.