Diverse Geschlechtsidentitäten in Peru als psychische Störungen klassifiziert

Heftige Kritik der LGBTIQ+-Community am neuen Dekret von Präsidentin Boluarte. Widersprüchliche Antwort des Gesundheitsministeriums

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Plakate beim Protest vor dem Gesundheitsministerium. Links: "Das ist keine Krankheit, das ist Leben, Widerstand und Menschlichkeit". Rechts: "Frei leben, ohne Gewalt, ohne Angst".
Plakate beim Protest vor dem Gesundheitsministerium. Links: "Das ist keine Krankheit, das ist Leben, Widerstand und Menschlichkeit". Rechts: "Frei leben, ohne Gewalt, ohne Angst".

Lima. Die Regierung von Dina Boluarte in Peru hat ein umstrittenes Dekret zur Geschlechtsidentität verabschiedet. Darin werden Transsexualität, Transvestismus und Zweifel an der Geschlechtsidentität in der Kindheit als psychische Krankheiten eingestuft.

Das Dekret, das von Boluarte selbst, Gesundheitsminister César Vásquez und Finanzminister José Arista unterzeichnet wurde, löste heftige Proteste und Besorgnis in der LGBTIQ+-Gemeinschaft und bei Menschenrechtsorganisationen aus.

Die neue Regelung, die nun Teil der Liste der von den Krankenkassen anerkannten Krankheiten und Behandlungen (PEAS) ist, führt sieben Krankheitsbilder im Zusammenhang mit Zweifeln an der eigenen Geschlechtsidentität oder Transvestismus auf. Die Einstufung als psychische Krankheiten basiert auf der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Allerdings hat die WHO diese im Jahr 2022 durch die ICD-11 ersetzt und Transidentität nicht mehr als Krankheit eingestuft.

Auf die Kritik reagierte Gesundheitsminister Vásquez laut der Zeitung El País mit einer widersprüchlichen Erklärung: Die Änderungen seien notwendig, um eine umfassende psychische Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Einerseits seien die Vielfalt der Geschlechter und sexuellen Orientierungen keine Krankheiten, andererseits dienten die Änderungen lediglich der Anpassung an den veralteten ICD-10-Standard, bis die ICD-11 schrittweise eingeführt werden könne.

Viele Sozialaktive  betrachten diese Entscheidung dennoch als Rückschritt und Gefahr für die Rechte und die Gesundheit der LGBTIQ+-Gemeinschaft.

Susana Chávez, Direktorin der Nichtregierungsorganisation Promsex, kritisierte das Dekret als "diskriminierend" und "stigmatisierend". Sie erklärte, dass die Klassifizierung im Widerspruch zu den Fortschritten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit stehe, die in der ICD-11 festgeschrieben sind, und befürchtet, dass dies schädlichen Praktiken wie Konversionstherapien Tür und Tor öffnen könnte. Solche Praktiken sind international als unmenschlich und unwirksam anerkannt.

Das Kollektiv Marsch des Stolzes (Marcha del Orgullo) und andere Menschenrechtsorganisationen forderten die sofortige Rücknahme des Dekrets. Sie argumentieren, dass die Anwendung veralteter medizinischer Klassifikationen den Diskurs über LGBTIQ+-Rechte und die Akzeptanz sexueller Vielfalt erheblich zurückwerfen und den gesellschaftlichen Fortschritt behindern könnte. Besonders betroffen seien Trans-Personen, die durch die Einstufung als psychisch krank zusätzlich stigmatisiert werden könnten, was den Zugang zu Gesundheitsdiensten und anderen wichtigen Ressourcen erschwere.

Widerstand gegen das Dekret kam auch von Seiten der Politik. Die unabhängige Abgeordnete Flor Pablo bezeichnete die Maßnahme als "verfassungswidrig" und "beschämend". Sie forderte Boluarte auf, das Dekret sofort zurückzunehmen, um einen weiteren Rückschritt für die Rechte der LGBTIQ+-Gemeinschaft zu verhindern. Ähnlich kritisch äußerten sich andere progressive Abgeordnete, die darauf hinwiesen, dass das Dekret die bestehende Diskriminierung und Stigmatisierung von Trans-Personen noch verstärke.

Am 13. Mai, reichten die Organisation Mehr Gleichheit Peru (Más Igualdad Perú), 414 psychiatrische Fachkräfte und 176 Mitglieder von LGBTIQ+-Organisationen eine Petition beim Gesundheitsministerium ein, in der sie die sofortige Aufhebung des Dekrets und die Anwendung der ICD-11 forderten. Sie argumentierten, dass die neue Klassifikation den medizinischen und wissenschaftlichen Standards entsprechen und die Rechte der LGBTIQ+-Gemeinschaft respektieren sollte.

Gleichzeitig machten Angehörige der LGBTIQ+-Gemeinschaft auf die anhaltenden Probleme von Diskriminierung und Gewalt aufmerksam. Am 17. Februar demonstrierten rund 200 Transfrauen und Menschen, die sie unterstützen, in Lima gegen Hassverbrechen und zunehmende Gewalt. Sie forderten stärkere Sicherheitsmaßnahmen und die Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität in offiziellen Dokumenten.

Die öffentliche Meinung zu Themen wie der Ehe für alle zeigt in Peru ein gemischtes Bild. Laut dem "Barometer der Amerikas" unterstützen nur 21 Prozent der peruanischen Bevölkerung die gleichgeschlechtliche Ehe. Allerdings hat die Unterstützung für LGBTIQ+-Rechte in den letzten Jahren zugenommen, insbesondere unter Frauen, jungen Menschen, Personen mit höherem Bildungsniveau und der städtischen Bevölkerung.