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Historischer Sieg der Regierung in Kolumbien: Rentenreform endgültig verabschiedet

Grundrente für 2,5 Millionen arme Senior:innen. Renten für informelle Arbeiter:innen und Frauen in Care-Arbeit. Rückgang privater Rentenfonds

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Arbeitsministerin Gloria Inés Ramírez mit Regierungskollegen nach der Verabschiedung der Reform
Arbeitsministerin Gloria Inés Ramírez mit Regierungskollegen nach der Verabschiedung der Reform

Bogotá. Der kolumbianische Kongress hat die Rentenreform der Regierung von Gustavo Petro nach einem 15-monatigen steinigen Weg verabschiedet.

Die Arbeitsministerin Gloria Inés Ramírez von der Kommunistischen Partei und die Regierungsfraktion setzten in der letzten Debatte im Abgeordnetenhaus, wo die Regierung keine Mehrheit hat, mit 86 zu 32 Stimmen eine Reform durch, die die seit 30 Jahren bestehende Privatisierung des Rentensystems rückgängig machen wird.

Es sei "die bedeutendste soziale Errungenschaft für die kolumbianische arbeitende Bevölkerung seit langer Zeit" und "die erste große Reform, die von der Regierung des Wandels verabschiedet wurde", sagte Präsident Petro bei seiner Europareise. Mit der Reform beginne Kolumbien, "eine große Schuld" gegenüber den "arbeitenden Großmüttern und Großvätern" zu begleichen. "Wir beginnen, mit dem Neoliberalismus Schluss zu machen und einen sozialen Rechtsstaat und Frieden aufzubauen", versicherte er.

"Seit 30 Jahren versuchen wir vergeblich, eine Rentenreform auf den Weg zu bringen", sagte die Ministerin und auch ehemalige Gewerkschafterin Ramírez. Damit spielt sie auf die sozialen Proteste gegen die neoliberalen Reformen der 1990er Jahre an, die unter anderem die Altersvorsorge verschlechtert hätten. Nur 25 Prozent der Männer und 13,2 Prozent der Frauen im Rentenalter erhalten heute in Kolumbien eine Rente.

Diese Veränderungen des Rentensystems haben dazu geführt, dass Millionen staatlich Versicherte in private Rentenversicherungen gewechselt sind. Die meisten von ihnen erhielten jedoch keine Rente, da die Auszahlung ihrer individuell angesparten Beiträge nicht für eine lebenslange Alterssicherung ausreichte. Obwohl das private Rentensystem 18 Millionen Einzahler:innen hat, hätten in den letzten 30 Jahren nur 318.000 Privatversicherte eine Rente erhalten, so Ramírez.

Das staatliche umlagefinanzierte Solidarsystem (Colpensiones) hat hingegen sechs Millionen Einzahler:innen und 1,7 Millionen Rentenbezieher:innen. Es ist effizienter als das private System, ohne Reform hätte der Staat jedoch die Renten von Colpensiones mit 18 Billionen Pesos weiter mitfinanzieren müssen.

Abgesehen davon würde die Quote der Rentner:innen unter den aktuellen Bedingungen niedrig bleiben, weil die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung nicht in das Rentensystem einzahlen kann, wie Petro erklärte. 56,3 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten im informellen Sektor. Das bedeutet, dass sie ein unregelmäßiges und niedriges Einkommen haben und sich nicht im Rentensystem registrieren lassen können.

Die neue Reform soll nun die Rentenabsicherung progressiv erhöhen, so dass im Jahr 2052 87 Prozent der Senior:innen abgesichert sein werden. Das Rentengesetz tritt am 1. Juli 2025 in Kraft.

Eine der Änderungen ist, dass alle, die bis zum 2,3-fachen des monatlichen Mindestlohns verdienen, in das umlagefinanzierte Solidarsystem Colpensiones einzahlen müssen. Die Möglichkeit für Arbeitnehmer, unabhängig von der Höhe ihres Einkommens freiwillig zwischen dem privaten und dem staatlichen System zu wählen, wie es heute der Fall ist, wird also abgeschafft.

Dadurch werden die Kassen von Colpensiones gefüllt und Mittel für eine Grundsicherung im Alter für diejenigen frei, die nicht in das staatliche System einzahlen können.

Zum einen geht es um 2,5 Millionen Männer über 65 und Frauen über 60, die in Armut oder Elend leben und durch die Reform knapp 20 Prozent des Mindestlohns, also 223.800 Pesos (rund 50 Euro) im Monat, erhalten werden.

Zum anderen handelt es sich um alle Männer über 65 Jahre und Frauen über 60 Jahre, die nicht sämtliche Voraussetzungen für eine Rente erfüllen konnten, aber zwischen 300 und 999 Beitragswochen in die Colpensiones eingezahlt haben.

Solche Kolumbianer:innen bekommen heute keine Regelaltersrente oder ähnliches und sind im Alter vollkommen schutzlos. Mit der Reform erhalten sie eine kleine lebenslange Rente, die sich an der Höhe der eingezahlten Beiträge orientiert, zuzüglich eines staatlichen Zuschusses von 30 Prozent für Frauen und 20 Prozent für Männer. Davon profitieren unter anderem Menschen im informellen Sektor und Frauen, die Care-Arbeit leisten.

Für diejenigen, die die bisherigen Voraussetzungen für den Bezug einer Rente erfüllen, ändert sich durch die Reform nichts, mit Ausnahme der eingeführten Verpflichtung, für maximal 2,3 Mindestlöhne in Colpensiones einzuzahlen.

Auch Besserverdiener:innen müssen bis zu einem Teil ihres Gehalts, der 2,3 Mindestlöhnen entspricht, in die Colpensiones einzahlen. Für den Rest ihres Gehalts können sie jedoch auf eigenen Wunsch in den privaten Pensionsfonds einzahlen.

Das Rentenalter von 62 Jahren für Männer und 57 Jahren für Frauen wird beibehalten. Die Mindestversicherungszeit beträgt für Männer weiterhin 1.300 Wochen. Für Frauen sinkt sie auf 1.000 Wochen. Ein Anliegen der Regierung war es, Frauen den Renteneintritt zu erleichtern. Die Reform ermöglicht es daher, die Wartezeit für Mütter auf 850 Wochen zu senken: 50 Wochen pro Kind, maximal für drei Kinder.