Ecuador / Politik

Nach Attentat auf Präsidentschaftskandidat: Prozessauftakt in Ecuador

Fünf Personen angeklagt. Von 13 Verdächtigen wurden sechs im Gefängnis getötet, einer starb durch Polizeikugeln, einer wurde entlastet

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Fernando Villavicencio im Präsidentschaftswahlkampf. Er wurde am 9. August 2023 ermordet
Fernando Villavicencio im Präsidentschaftswahlkampf. Er wurde am 9. August 2023 ermordet

Quito. In der ecuadorianischen Hauptstadt hat der Prozess gegen fünf Angeklagte im Zusammenhang mit dem Attentat auf Fernando Villavicencio begonnen. Der rechtsliberale Journalist und Politiker wurde am 9. August 2023 zwei Wochen vor der Wahl bei einer Kundgebung erschossen (amerika21 berichtete).

Villavicencio war einer von acht Kandidaten um das Amt des Präsidenten. Der Tod eines so hoch exponierten Politikers, der zudem unter Polizeischutz stand, hatte über alle politischen Lager hinweg für Entsetzen gesorgt. In der Folge verhängte der damalige Präsident Guillermo Lasso einen landesweiten Ausnahmezustand. Die Wahl fand unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen durch Polizei und Militär statt.

Von den im Nachgang der Tat 13 verhafteten Personen wurden sechs im Gefängnis ermordet. Eine Person starb bei einem Schusswechsel mit der Polizei, eine weitere wurde entlastet.

Unter den Beschuldigten befindet sich Carlos Angulo, alias "El Invisible" (Der Unsichtbare). Er gilt als Anführer der kolumbianischen Drogenbande Los Lobos, die insbesondere in der Grenzregion zwischen Kolumbien und Ecuador operiert. Nach dem Attentat waren in sozialen Medien mehrere Videos aufgetaucht, in denen sich Los Lobos zu der Tat bekannten. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Angulo, den Mord an Villavicencio in Auftrag gegeben zu haben. "Der Unsichtbare" saß bereits seit 2022 wegen Waffen- und Drogenschmuggels in der Region Cotopaxi in Haft.

Für die Koordination und Planung der konkreten Tat soll Laura Castillo verantwortlich gewesen sein. Sie habe den Tätern Fahrzeuge, Waffen und Geld zur Verfügung gestellt, so die Staatsanwaltschaft in ihrem Eingangsplädoyer. Den weiteren drei Beschuldigten wird Komplizenschaft vorgeworfen. Im Falle einer Verurteilung drohen den Angeklagten zwischen 22 und 26 Jahre Haft.

Neben den Ausführungen durch Staatsanwaltschaft, Verteidigung und die Anwälte der Familienmitglieder Villavicencios wurden am ersten Verhandlungstag insgesamt neun Zeugen vernommen, hauptsächlich Polizeibeamte, die die Geschehnisse am Tattag schilderten. Daneben wurden auch Sachverständige zum Tathergang befragt. Demnach wurde die tödliche Kugel aus großer Entfernung auf den Politiker abgefeuert und traf ihn am Kopf. Insgesamt sind über 200 Zeugen geladen.

Nicht bekannt ist nach wie vor, wer Los Lobos mit dem Mord beauftragt hat. Eine Zeugenaussage belastet nun Ex-Präsident Rafael Correa (2007-2017). Laut eines sich im Zeugenschutz befindlichen Informanten sei der Mord von Correa angeordnet worden. José Patricio A.M. gab in einer Videoaussage an, an der Planung des Verbrechens beteiligt gewesen zu sein, aus Angst um sein Leben habe er sich dann aber dazu entschieden, nicht an der Tat teilzunehmen.

Einer der später im Gefängnis ermordeten Verdächtigen habe ihm nach dem Anschlag gesagt, dass "dieser Kopf [von Villavicencio] 200.000 Dollar wert sei und die Regierung von Rafael C. befohlen habe, ihn zu erledigen".

Der wies die Anschuldigungen von sich. "Sie sind verzweifelt. Dieser sogenannte Kronzeuge im Fall Villavicencio ist Aufguss. Dieser Mann hat bereits angeprangert, wie er gezwungen wurde, uns zu belasten", so Correa auf X.

Die Beziehung von Villavicencio und Correa war von gegenseitigen Anschuldigungen und zahlreichen juristischen und medialen Auseinandersetzungen geprägt. Der Ex-Präsident beschuldigte den Journalisten, ein "CIA-Informant" und "Krimineller" zu sein, während dieser der Regierung Correa Korruption und Vorteilsnahme vorwarf.

Ob Correa jedoch die Ermordung seines Widersachers befohlen haben soll, darf bezweifelt werden. Dies auch vor dem Hintergrund dass die Staatsanwaltschaft trotz der Aussage ihres Zeugen bislang keine Ermittlungen gegen Correa eingeleitet hat. Ungewöhnlich für eine Behörde, die in der Vergangenheit wiederholt Verfahren wegen angeblicher Korruptionsvorwürfe gegen Correa und seine Vertrauten eingeleitet hatte. Zuletzt hatte dies den ehemaligen Vizepräsidenten Jorge Glas getroffen, der im April unter Missachtung internationaler Abkommen aus der mexikanischen Botschaft heraus verhaftet wurde.

Dennoch scheint eine politische Komponente am Mord von Villavicencio wahrscheinlich. Zu diesem Ergebnis kommt auch ein Untersuchungsausschuss des Parlaments in seinem Entwurfsbericht zum Attentat: "Villavicencio war das Ziel eines politischen Verbrechens, nicht eines gewöhnlichen Verbrechens. Seine Ermordung sollte als politisches Verbrechen im Rahmen des Krieges, den die ecuadorianische Gesellschaft gegen die Mafia und die kriminellen Organisationen führt, untersucht und in Erinnerung behalten werden."

Inwieweit das Gerichtsverfahren die Hintergründe der Tat aufklären kann, bleibt abzuwarten.