Santiago. Die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika und die Karibik (Cepal) erwartet, dass die Dominikanische Republik und Venezuela mit 5,2 bzw 5 Prozent 2024 die Länder mit dem höchsten Wirtschaftswachstum in der Region sein werden. Für das gesamte Gebiet wird nur mit einem Wachstum von unter zwei Prozent gerechnet. Im Falle Venezuelas handelt es sich um einen Zuwachs von einem in den letzten Jahren extrem reduzierten Niveau. Laut Cepal war die Wirtschaftsleistung des Landes zwischen 2012 und 2020 um etwa 83,5 Prozent eingebrochen. Trotz der Erholung seit 2021 ist das Land noch weit vom Vorkrisenniveau entfernt.
Laut der am Dienstag veröffentlichten Studie mit dem Titel "Wachstumsfalle, Klimawandel und Beschäftigungsdynamik" befindet sich Lateinamerika immer noch in einer Phase des niedrigen Wachstums. 2023 hatte es bei 2,1 Prozent gelegen, 0,3 Prozent über der Vorhersage für 2024.
Die Welthandelsorganisation (WTO) rechnet parallel dazu zwar mit einem steigenden Volumen des weltweiten Warenhandels bis 2024 um 2,6 Prozent. Da die Rohstoffpreise im Jahr 2023 aber um mehr als 20 Prozent gesunken sind, wird auch dort für 2024 ein Rückgang der Handelswerte erwartet.
Für Costa Rica mit vier Prozent, Paraguay und Honduras mit 3,8 sowie Nicaragua mit 3,7 Prozent wird ebenfalls ein relativ hohes Wachstum vorhergesagt. Diesen Ländern folgen Uruguay mit 3,6 Prozent, El Salvador mit 3,5 und Guatemala mit 3,4 Prozent.
Ein niedrigeres Wachstum sagt Cepal den Ländern Panama mit 2,7 Prozent, Peru und Chile mit 2,6 sowie Brasilien und den karibischen Inseln mit 2,3 Prozent voraus. Unter zwei Prozent liegen Mexiko mit 1,9, Ecuador mit 1,8, Bolivien mit 1,7 und Kolumbien mit 1,3 Prozent. Am Ende der Liste steht das von einer besonderen Krise betroffene Kuba mit 0,5 Prozent.
Mit Bezug auf verschiedene veröffentlichte Studien erwartet Cepal erhebliche Auswirkungen des Klimawandels auf das Wirtschaftswachstum und die Entwicklung in der Region. Vor allem die Bereiche Landwirtschaft und Tourismus bezeichnet die Cepal-Studie als vulnerabel. Steigende Temperaturen und häufigere extreme Wetterereignisse würden die Arbeitsproduktivität und die Kapitalausstattung der lokalen Volkswirtschaften beeinträchtigen. Die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen werde dadurch zunehmend unter Druck geraten, heißt es im letzten Teil der Studie.
Eine besondere Gefahr sieht Cepal darin, dass die Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze, insbesondere der formellen Arbeitsplätze, abnimmt. Gruppen wie Jugendliche, Frauen, ältere Erwachsene, Migranten und die ländliche Bevölkerung hätten eher informelle Arbeitsplätze.
Die Untätigkeit gegenüber dem Klimawandel sei sehr kostspielig. Diesen Luxus könne sich die Region nicht leisten, heißt es im letzten Absatz der Studie. Makroökonomische und produktive Entwicklungsmaßnahmen müssten ergriffen werden, um das Wachstum der Volkswirtschaften der Region anzukurbeln, die Arbeitsproduktivität zu steigern und eine höhere Produktivität zu fördern.
Die Cepal-Studie fordert deshalb eine erhebliche Steigerung der öffentlichen und privaten Investitionen und Strukturreformen zur Förderung eines "nachhaltigen und gerechten" Wirtschaftswachstums.