Kolumbien: Minga Indígena gegen Gewalt in indigenen Territorien im Cauca

Protest gegen illegale Vergabe indigenen Landes an Dritte und Gleichgültigkeit der Regierung angesichts einer Welle der Gewalt gegen die Gemeinschaften

kolumbien_minga_indigena.jpg

Minga-Teilnehmer während des Gesprächs mit Innenminister Cristo
Minga-Teilnehmer während des Gesprächs mit Innenminister Cristo

Bogotá. Etwa 4.000 Vertreter:innen indigener Gemeinschaften warten derzeit im Parque Renacimiento in Bogotá auf ein Gespräch mit Präsident Gustavo Petro und halten dort eine Minga "zur Verteidigung des Territoriums, des Friedens und des Lebens" ab. Am 20. August sind sie mit Bussen aus dem Südwesten des Landes angereist. Ihre Hauptforderung: Lösungen für die zunehmende Gewalt in ihren Territorien.

Minga ist der indigene Begriff für die Versammlung unterschiedlicher Akteure mit einem gemeinsamen Ziel und die gemeinsame Arbeit für die ganze Gemeinschaft. Sie wird in der jüngsten Vergangenheit in Kolumbien als Form des Widerstands und der Verteidigung von indigenen Rechten durchgeführt.

Die Entscheidung zu der Protestaktion geht auf eine Vereinbarung von 139 indigenen Autoritäten zurück, die die Völker Nasa, Yanakuna, Kokonuko, Misak, Ambaló, Kisgo, Polindaras, Totoróez, Eperâara Siapidâara und Inga vertreten. Der Regionale indigene Rat des Cauca (Consejo Regional Indígena del Cauca, Cric) vertritt etwa 90 Prozent der indigenen Gemeinschaften im Cauca.

kolumbien_minga_indigena_park_von_aussen.jpg

Lager der Minga im Parque Renacimiento
Lager der Minga im Parque Renacimiento

"In unseren Territorien herrscht Gewalt. Es gibt illegale bewaffnete Akteure, die unsere Territorien streitig machen und dadurch unsere indigenen Völker gefährden wollen", berichtet Yesid Conda, Oberster Rat (Consejero Major) des Cric gegenüber der Zeitung El Colombiano.

Vor Ort sorge die bewaffnete Gruppe FARC-EP Estado Mayor Central (EMC) unter der Führung von Iván Mordisco für eine Welle der Gewalt gegen soziale Führungspersönlichkeiten. Zuletzt am 18. August hätte diese einen weiteren Vertreter der Indigenen Wache (Guardía Indígena) getötet. Nicht nur die öffentliche Meinung, sondern auch die Regierung sei dem gegenüber gleichgültig, kritisiert der Verband der Indigenen des Nordcauca (Asociación de Indígenas del Norte del Cauca) in einer Pressemitteilung.

Diese Gleichgültigkeit möchte der Cric mit der Minga durchbrechen. Zu den zentralen Forderungen gehört eine größere Beteiligung der indigenen Gemeinschaften am Friedensprozess. Außerdem kritisiert man die Vergabe von Landrechten an Dritte, in Gebieten, die den indigenen Völkern zustehen.

ivan-1.jpg

Ivan gehört zur Guardía Indígena. In seiner Heimatstadt Mocoa gebe es immer mehr Raubüberfälle. Deshalb protestiert der Busfahrer jetzt in Bogotá
Ivan gehört zur Guardía Indígena. In seiner Heimatstadt Mocoa gebe es immer mehr Raubüberfälle. Deshalb protestiert der Busfahrer jetzt in Bogotá

Nach Beschluss des Bürgermeisters von Bogotá zelten die Menschen derzeit im Parque Renacimiento, direkt neben der Gedenkstätte an den Bürgerkrieg (Centro Memoria). Die Verwaltung stellt Toiletten und Duschen bereit. Für die Öffentlichkeit ist der Park geschlossen, große Planen am Zaun sorgen für mehr Privatsphäre. In den umliegenden Cafés sitzen Vertreter der Guardía Indígena mit dem "Bastón de Mando", dem traditionellen Stab indigener Autoritäten, den sie bei offiziellen Anlässen mit sich führen und der sie als Gemeindevertreter kennzeichnet. Im Park selbst beraten sich die Anführer über das weitere Vorgehen.

Am fünften Tag der Minga sprachen sie mit Innenminister Juan Fernando Cristo. Petro selbst hat ein auf Freitag angesetztes Ultimatum der indigenen Autoritäten verstreichen lassen. "Hier setzt niemand ein Ultimatum, das ist nicht die angemessene Sprache", sagte Cristo dazu. Dafür kündigte er eine Reise in den Cauca an, um mit den Bürgermeistern und der Bevölkerung zu reden.

Ursprünglich hatte der Cric gedroht, zum Platz Simon Bolívar zu marschieren und die Minga für "permanent" zu erklären, sollte der Präsident nicht zum Gespräch bereit sei. Wann sie in ihre Territorien zurückkehren, hänge allein von der Regierung ab. Nach dem Gespräch mit Cristo schrieb die Gruppe auf Instagram, dass Petro derjenige sein müsse, der die mit der Minga getroffenen Vereinbarungen formalisiere. Am fünften Tag des Protestes einigte man sich außerdem auf sieben Kernforderungen und wird die Gespräche fortführen.

chivas.jpg

Mit diesen Bussen sind die Menschen aus dem Südwesten des Landes angereist
Mit diesen Bussen sind die Menschen aus dem Südwesten des Landes angereist

Im Gespräch lobte Cristo den Cric auch dafür, nicht wie die Indigenen Autoritäten des Südwestens (Autoridades Indígenas del Sur Occidente) die Straße Panamericana zu blockieren. Diese Gruppe protestiert, weil die Regierung immer noch nicht ein Dekret unterschrieben habe, dass sie als autonome indigene Gemeinschaft anerkennt. Auf Instagram postete der Cric wiederholt, nichts mit der Straßenblockade zu tun zu haben.

Mingas haben in Bogotá eine lange Geschichte. Auch im September und Dezember des vergangenen Jahres gab es ähnliche Proteste. Im Oktober 2020 schlossen sich etwa 8.000 Indigene in Bogotá dem Nationalstreik an.

Im Vergleich zu vorherigen Regierungen pflegt Petro eine gute Beziehung zu den indigenen Gruppen. Er nominierte auch drei Indigene für Regierungspositionen: Leonor Zalabata als ständige Vertreterin bei den Vereinten Nationen, Patricia Tobón, um die Regierungsinstitution für Gewaltopfer während des internen bewaffneten Konflikts (Unidad para las Victimas) zu leiten und Giovanni Yule für die Institution für die Rückgabe enteigneten Landes (Unidad de Restitución de Tierras).