Ecuador / Politik

Agierte Ecuadors oberste Staatsanwältin gegen die politische Linke?

Quito. Geleakte Chatnachrichten sollen belegen, dass Diana Salazar, Generalstaatanwältin von Ecuador, ihre Position genutzt hat, um gegen die Linkspartei Bürgerrevolution (Revolución Ciudadana, RC) von Ex-Präsident Rafael Correa vorzugehen.

Salazar soll demnach frühzeitig gewusst haben, dass die kriminelle Organisation Los Lobos für die Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio während des letzten Wahlkampfes verantwortlich gewesen ist und die Schuld dennoch der RC angehängt haben (amerika21 berichtete). Villavicencios Witwe hat ausgesagt, sie habe aus Salazars Büro die Information erhalten, dass die RC schuld an dem Mord sei.

Die Chatnachrichten hatte Ronny Alega, früherer Abgeordneter der RC, dem investigativen Nachrichtenportal Drop Site News zugespielt. Deren Journalisten werteten das Material gemeinsam mit der Newsagentur Intercept Brasil aus, die 2019 einen vergleichbaren Fall in Brasilien aufgedeckt hatte (amerika21 berichtete). Aleaga erhielt die Nachrichten von einem Benutzerkonto mit dem Namen "Seño", dem mutmaßlichen Decknamen Salazars.

"Seño" schrieb Aleaga, dass die USA kein weiteres Staatsoberhaupt der Bürgerrevolution wollten. Correa gilt als starker Kritiker der USA und ihrer hegemonialen Bestrebungen in Lateinamerika. Intercept zufolge sorgte Salazar durch das Framen der RC deshalb dafür, dass deren Popularität einbrach, ihre Kandidatin Luisa González die Wahl im Oktober 2023 knapp verlor und der rechtsliberale Daniel Noboa gewann. Dessen Regierung arbeitet eng mit den USA zusammen (amerika21 berichtete).

In mehreren Chats an Aleaga offenbarte "Seño" laut Intercept ihre ablehnende Haltung gegenüber Correa. Einer der wichtigsten Fälle, an dem Salazar gearbeitet hat, belastete den rechtsgerichteten damaligen Präsidenten Guillermo Lasso und sie verzögerte ihn aus eindeutig politischen Gründen, wie die durchgesickerten Nachrichten zeigen. In einem Chat vom 29. September 2023 schrieb sie etwa, dass der Fall erst nach der zweiten Runde der vorgezogenen Wahlen 2023 weiter verfolgt werde, um der RC nicht in die Hände zu spielen.

Aleaga soll von "Seño" außerdem das Angebot erhalten haben, mit ihr und den USA zu kooperieren und dadurch weitgehende Straffreiheit in einem gegen ihn laufenden Verfahren zu erhalten.

Salazar hat nicht dementiert, dass die Chats von ihr sind, bezeichnete die ganze Sache jedoch als politischen Zirkus.

Die Generalstaatsanwältin wurde international über Jahre als beispielhafte Kämpferin gegen die Korruption gefeiert. Im sogenannten Metástasis Fall arbeitete sie zu einem Netzwerk, das Mafia, öffentliche Verwaltung, Wirtschaft und Politik verbinden soll. Ihre Beliebtheit im Land war groß, von den USA und der EU wurde sie hofiert.

Doch es gibt auch viel Kritik an ihr. Carla Alvarez vom ecuadorianischen Institut für höhere nationale Studien bezeichnet Salazar als "Schlüsselfigur" für die USA in Ecuador sowie für rechte Gruppierungen im Land. Im Parlament läuft ein Verfahren, um sie als Generalstaatsanwältin abzusetzen. Ihr werden Unregelmäßigkeiten und Verzögerungen in mehreren Strafverfahren und Vertuschung von Geldwäscherei vorgeworfen.

Nun sollen ihre eigenen Kolleg:innen im Fall der geleakten Chats gegen sie ermitteln.

Während Salazars Nimbus zunehmend Risse bekommt, gibt sie sich selber optimistisch: "Ich bin zuversichtlich, dass die Öffentlichkeit erkennen wird, dass dieses Amtsenthebungsverfahren eine Rache des organisierten Verbrechens dafür ist, dass wir ihre Strukturen aufgedeckt haben", so die Generalstaatsanwältin.

Anmerkung der Redaktion vom 12.09.2024: In einer früheren Version haben wir geschrieben, dass die Chatnachrichten von Intercept Brasil gemeinsam mit CEPR veröffentlicht wurden. Veröffentlicht wurden sie jedoch von Drop Site News gemeinsam mit Intercept Brasil. CEPR hatte lediglich über den Leak berichtet. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung.