Brasília. Während brasilianische und internationale Medien das Abkommen der Regierung von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva mit den Bergbaukonzernen über Reparationszahlungen in Höhe von 132 Milliarden Reais (R$) als historisch bezeichnen, kritisieren Betroffene den Schritt als unzureichend.
Am vergangenen Freitag hatte die Regierung mit dem Minenbetreiber Samarco und seinen Mutterkonzernen Vale S.A. (Brasilien) und BHP Billiton Brasil Ltda (Australien-Großbritannien) die Vereinbarung über Entschädigungen in Höhe von etwa 21 Milliarden Euro an die von dem verheerenden Dammbruch von Bento Rodrigues im Jahr 2015 betroffenen Familien, Städte und Gemeinden unterzeichnet.
Dies decke nicht die volle Wiedergutmachung ab, so die Organisation der von Staudämmen Betroffenen, Movimento dos Atigindos pelas Barragens (MAB). Der Kampf für eine gerechte Entschädigung gehe daher weiter, "sei es vor brasilianischen Gerichten, vor Regierungen oder vor internationalen Gerichten, wie im Fall der englischen Klage, die gerade in London verhandelt wird".
In London begann am 21. Oktober ein Prozess gegen BHP. Das Gericht soll bis März prüfen, ob der Bergbaukonzern für den Dammbruch und seine Folgen zur Verantwortung gezogen werden kann. Betroffene fordern Entschädigungen in Höhe von insgesamt 43 Milliarden Euro. Falls BHP haftbar gemacht werden kann, wird in einem weiteren Verfahren ab Oktober 2026 die Höhe der Entschädigungszahlungen festgelegt werden.
Am 5. November 2015 brach der Damm des Rückhaltebeckens Fundão nahe der Kleinstadt Mariana im Bundesstaat Minas Gerais. Millionen Kubikmeter an Bergwerksschlamm aus der Eisenerz-Mine der Firma Samarco und eine Lawine aus Schlamm zerstörten mehrere Dörfer, 349 Häuser, Schulen und Kirchen. Die Flüsse Rio Gualaxo do Norte, Rio do Carmo und Rio Doce wurden verseucht (amerika21 berichtete).
Der Tsunami aus Eisenerzschlamm und Schwermetallen schob sich wochenlang durch das Flusstal des Rio Doce, Heimat und Arbeitsplatz Tausender Fischerfamilien. Durch den Dammbruch starben 19 Menschen, unzählige weitere erlitten Schädigungen ihres Einkommens, ihres Habs und Guts, konnten jahrelang nicht mehr fischen. Sehr lange war für Hunderttausende Menschen entlang des Flusstales Rio Doce die Trinkwasserversorgung unterbrochen, das Wasser musste mit Lastern herangeschafft werden.
Krankheiten wie Hautreizungen, Asthma durch den nach einer Weile getrockneten und lose durch die Luft fliegenden Staub, psychische Krankheiten, all dies häufte sich in den Jahren nach dem Dammbruch.
Die Betroffenen und Opfer warten seit neun Jahren auf eine angemessene Entschädigung.
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Nun müssen die verantwortlichen Bergbaukonzerne Zahlungen in Höhe von 132 Milliarden R$ leisten. Die Firmen rechnen weitere 38 Milliarden R$ hinzu an Mitteln, die sie bereits in der Vergangenheit geleistet hätten. Insgesamt ergibt sich also ein Betrag von 170 Milliarden R$. Zur Erinnerung: vor wenigen Tagen erklärte Vale für das abgeschlossene dritte Quartal 2024 einen Gewinn von 13,6 Mrd R$.
Die staatliche Nachrichtenagentur Agếncia Brasil schlüsselt die Zahlen wie folgt auf: "Von den 132 Mrd. R$, die in der Vereinbarung vorgesehen sind, sind 100 Milliarden neue Mittel, die über einen Zeitraum von 20 Jahren von den Unternehmen an die Regierung gezahlt werden müssen und die für verschiedene Maßnahmen verwendet werden sollen. Die Unternehmen werden außerdem 32 Milliarden R$ für die Entschädigung der Betroffenen und für Wiedergutmachungsmaßnahmen bereitstellen, die weiterhin in ihrer Verantwortung liegen. Die Firmen sagen auch, dass sie bereits 38 Milliarden R$ an sozio-ökologischen Reparationen über die Renova-Stiftung ausgezahlt haben, die von den Unternehmen zur Durchführung von Reparationsmaßnahmen gegründet wurde."
Umgerechnet wurden also sechs Milliarden Euro in der Vergangenheit über die Renova-Stiftung ausgegeben, fünf Milliarden Euro an die 300.000 Betroffenen (Anwohner:innen, Fischer:innen etc) und in den nächsten 20 Jahren noch weitere 16 Milliarden Euro an Staat, Land und Kommunen: das wären noch einmal 800 Millionen Euro je Jahr.
Die Organisation der von Staudämmen Betroffenen äußert ihre Einschätzung zu der Einigung:
"In diesem Sinne glauben wir, dass der vorgelegte Vorschlag eine neue Etappe im Kampf der Bevölkerung für eine vollständige Wiedergutmachung für die Rechte der betroffenen Menschen und der Umwelt einläutet. Wir erkennen die Bedeutung des Abkommens und seine Fortschritte für die Betroffenen an, auch wenn es Unzulänglichkeiten aufweist. [...] Der von den Betroffenen und unseren Verbündeten und Partnern geführte Kampf des Volkes hat es möglich gemacht, dass der jetzige Vorschlag besser ist als der Ende 2022, am Ende der Amtszeit der vorherigen Regierung, vorgelegte Vorschlag, der der Bevölkerung extrem geschadet hätte. Im Vergleich zum Vorschlag von 2022 verdoppelt die aktuelle Vereinbarung den Betrag der neuen Mittel, die für die Entschädigung der Betroffenen zur Verfügung gestellt werden, auf über 132 Milliarden R$. Dieser Betrag reicht jedoch nicht aus, um die Rechte der Betroffenen vollständig wiederherzustellen. [...]
Die vorgeschlagenen Beträge decken nicht die volle Wiedergutmachung ab. In diesem Sinne geht der Kampf für eine gerechte Entschädigung weiter, sei es vor brasilianischen Gerichten, vor Regierungen oder vor internationalen Gerichten, wie im Fall der englischen Klage, die gerade in London verhandelt wird.
Wir werden weiterhin für die strafrechtliche Verantwortung der Unternehmen kämpfen und das größte sozio-ökologische Verbrechen in der Geschichte des Landes anprangern, das 19 Menschenleben forderte, eine Fehlgeburt verursachte, 684 Kilometer des Flusses Doce, die Küsten von Espírito Santo und Bahia verseuchte und mehr als 2,5 Millionen Menschen in drei Bundesstaaten betraf. Dieses Verbrechen darf nicht ungestraft bleiben und es ist die Pflicht der Behörden und insbesondere der Justiz, die Verantwortlichen zu verurteilen. [...] Die Kontinuität des Kampfes, in organisierter Form und mit intensiver Mobilisierung der Bevölkerung, ist der Weg, um die Fortschritte zu erreichen, die wir in der Vereinbarung gemacht haben, und um eine vollständige Entschädigung für das zu garantieren, was noch unzureichend ist."

