Guatemala-Stadt. Eine mehrseitige Reportage von sieben Journalisten geht auf das strukturelle Problem der Korruption in Guatemala ein. Beispielhaft werden in dem vergangene Woche in "Revistas Elementos" veröffentlichten Text die Situation bei der Vergabe von staatlichen Aufträgen im Bausektor und beim Ankauf von Medikamenten untersucht.
Die Journalisten kommen zu dem Ergebnis, dass mehrere Unternehmen, gegen die von der UN-Kommission gegen die Straffreiheit (Cicig) ermittelt wurde, dennoch bis heute staatliche Aufträge erhalten und diese sogar noch steigern konnten.
Die Cicig begann ihre Arbeit im September 2006 und sollte der Bekämpfung der Korruption und dem Ausbau rechtsstaatlicher Strukturen in Guatemala dienen. 2018 beendete Präsident James Morales ihre Tätigkeit. Im September 2019 musste die Kommissiom das Land endgültig verlassen. Verwandte, Vertraute und der Staatschef selbst waren zuvor ins Visier der Antikorruptionsermittler geraten.
Ins Bewusstsein der Bevölkerung war die Cicig 2015 gelangt, als ihre Ermittlungen über das Korruptionsnetzwerk "La linea" zu den größten Massenprotesten seit Jahrzehnten geführt hatten. An dem Netzwerk waren auch der damalige Staatspräsident Otto Pérez Molina und Vizepräsidentin Roxana Baldetti beteiligt.
Der Reportage führt sechs Bauunternehmen auf, gegen die die Cicig wegen Korruption und Zahlung von Bestechungsgeldern ermittelt hatte. Nach dem Ende der Cicig schlossen die Regierungen Morales (2016-2020) und Alejandro Giammattei (2020-2024) Verträge mit den Unternehmen in Höhe von insgesamt 8,004 Milliarden Quetzales (etwa 984 Millionen Euro).
Die aktuelle Regierung von Bernardo Arévalo, die mit dem Versprechen der Bekämpfung der Korruption angetreten war, hat es bisher nicht "eilig, die Verträge zu beenden", heißt es in dem Artikel und zitiert Regierungsfunktionäre, die vor "langwierigen Gerichtsverfahren und der Verzögerung der Bauarbeiten" warnen.
An Pharmaunternehmen wurden Aufträge zum Kauf von Medikamenten in Höhe von 6,7 Milliarden Quetzales (etwa 820 Millionen Euro) in der Zeit nach der Cicig vergeben. Auftraggeber waren das Gesundheitsministerium, die staatliche Sozialversicherung IGSS und die Armee für den Betrieb des Militärkrankenhauses.
Beispielhaft nennt der Bericht das Pharmaunternehmen J.I.Cohen, das 2,8 Millionen Quetzales (etwa 340.000 Euro) Wahlkampfspende an die Patriotische Partei von Pérez Molina gezahlt haben soll, ohne den Betrag vor dem Wahlgericht anzugeben. Trotzdem hat das Unternehmen seit 2016 weitere Millionenaufträge von staatlichen Stellen erhalten.
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In vielen Fällen werden die Medikamente überteuert verkauft, heißt es in dem Artikel. Immer wieder kommt es zu Klagen, dass in den staatlichen Krankenhäusern und auch in der Krankenhäusern der Sozialversicherung IGSS notwendige Medikamente nicht zur Verfügung stehen.
Harald Waxenecker, Historiker und unabhängiger Berater, hat mehrere Studien zu Korruption in Guatemala verfasst. Er schreibt, dass der Staat durch die Korruptionsnetzwerke "Milliarden Quetzales" in den Bereichen Bau, Gesundheit, Transport und Sicherheit verliert.
Das sei nicht nur ein guatemaltekisches Problem. Die Weltbank schätzt, das von den 13 Billionen US-Dollar, die jährlich an öffentlichen Ausgaben verwendet werden, rund ein Viertel durch "ineffiziente Beschaffungspraktiken verschwendet werden".
In Guatemala sei die Situation ab dem Jahre 2000 durch die Privatisierungen verschärft worden, da die Aufträge von staatlichen Stellen ausschließlich an private Unternehmen vergeben werden.
Des Weiteren nennt der Bericht neben fehlender Transparenz bei öffentlichen Aufträgen die Preisabsprachen unter den Monopolisten als Problem. Außer zu erhöhten Ausgaben für die öffentliche Hand führe dies auch zu hohen Preisen für die Bevölkerung bei Medikamenten und Lebensmitteln.
So sind Medikamente in Guatemala zu 185 Prozent teurer als im Nachbarland El Slavador. Die Preise für Grundnahrungsmittel sind in Guatemala sogar die zweithöchsten in Lateinamerika und der Karibik, nur in Puerto Rico muss mehr bezahlt werden.
Für einen Aktivisten aus dem Departamento Antigua, der für die Landarbeiterorganisation Codeca politische Bildung zu ökonomischen Fragen organisiert, ist die "zentrale linke ökonomische Forderung in Guatemala die nach freiem Wettbewerb", erklärt er gegenüber amerika 21.
Am 21. November dieses Jahres wurde das Wettbewerbsgesetz mit 122 Ja-Stimmen im Kongress verabschiedet, das Monopole einschränken soll. Laut Medienberichten ist es "nicht perfekt", orientiert sich aber an "internationalen Standards für freien Wettbewerb" und diene der "Kontrolle wettbewerbswidriger Praktiken".