Argentinien: Justiz und Polizei gehen gegen Mapuche-Gemeinde vor

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Internationale Protestaktion gegen die Räumung in Konsulaten Argentiniens
Internationale Protestaktion gegen die Räumung in Konsulaten Argentiniens

Esquel/Bueno Aires. Die argentinische Bundespolizei hat die Siedlung einer Gemeinde indigener Mapuche in der patagonischen Provinz Chubut räumen lassen. Es kam nur deshalb zu keiner Gewaltanwendung, weil die aus mehreren Familien mit Männern, Frauen und Kindern bestehende Gemeinde Lof Pailako das Areal bereits zuvor verlassen hatte.

Im August des Vorjahres war ein Urteil des Bundesrichters Guido Otrano zu dem Schluss gekommen, dass sich die von Ernesto Cruz Cárdenas angeführte Gemeinde das Gebiet "illegal und mit gewaltsamen Mitteln" angeeignet hätte.

Möglich wurde die Räumung erst, nachdem die ultarechte Regierung von Präsident Javier Milei im Dezember des Vorjahres ein seit 2006 bestehendes Gesetz aufheben ließ, das behördliche Eingriffe im Falle von Territorialstreitigkeiten mit indigenen Gemeinden vorübergehend aussetzte.

Um die landesweit mehr als 250 territorialen Konflikte um indigene Gemeinden nachhaltig zu lösen, hätte zunächst eine genaue Erhebung Klarheit über bestehende legitime Gebietsansprüche schaffen sollen. Bis zu deren Fertigstellung waren behördliche Räumungen per Gesetz untersagt. Diese Gesamterhebung fand allerdings nie statt. Nun wurde das Gesetz gekippt.

Sicherheitsministerin Patricia Bullrich ließ mehr als 100 Polizeibeamte in dem entlegenen Gebiet im Nationalpark Los Alerces in den patagonischen Anden aufmarschieren. Letztlich beschränkte sich ihr Einsatz auf die symbolische Aktion des Hissens der argentinischen Nationalflagge.

Über die Plattform X teilte Bullrich nach der Aktion ein Video, in dem sie aus der Kabine eines Bulldozers, untermalt mit martialischer Metal-Musik, verkündete: "Wir sind bereit, um diese Invasion im Nationalpark Los Alerces niederzureißen. Von nun an sind das Privateigentum, das Leben und die Freiheit der Argentinier wieder garantiert."

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Der Gouverneur der Provinz Chubut, Ignacio Torres von der Partei PRO des neoliberalen Ex-Präsidenten Mauricio Macri, unterstellte öffentlich, dass die vertriebene Gemeinde Lof Pailako von Chile aus finanziert worden wäre. Die Diffamierung indigener Gemeinden, die um ihre Rechte kämpfen, als ausländische Agenten und Terroristen entspricht der üblichen Rhetorik der Gegner indigener Rechte in Argentinien.

Die Anwälte der Gemeinde Lof Pailako hatten zuvor den Räumungsbeschluss der Regierung kritisiert, da Rechtsmittel eingelegt worden waren, die bislang noch nicht behandelt wurden.

"Es ist verfassungswidrig und ungerecht", meinte dazu auch die Standesvertretung der Anwältinnen und Anwälte der Argentinischen Republik. "Die Intoleranz des Staates wird offensichtlich", sagte deren Sprecherin Laura Taffetani, "weil er nicht bereit ist, die Verfassungsreform von 1994 umzusetzen, die anerkennt, dass die indigenen Völker vor dem argentinischen Nationalstaat bestanden haben."

Die Gemeinde Lof Pailako ließ sich im Jahr 2020 in dem Areal im Nationalpark Los Alerces nieder, da es nach ihrer Ansicht Teil ihres traditionellen Siedlungsgebiets war. Danach kam es immer wieder zu Drohungen und kleineren Auseinandersetzungen mit Parkrangern und der Nationalparkverwaltung.

Ein offizielles anthropologisches Gutachten mehrerer renommierter Institutionen, das im Zuge des Verfahrens eingeholt worden war, kam zu dem Ergebnis, dass die Besiedelung des Gebiets durch die indigene Gemeinde zumindest vier Generationen und damit auch vor die Zeit der Gründung des Nationalparks zurückreicht.

"Die Siedlungstradition der Gemeinde ist klar erwiesen, aber es gibt eine eindeutige Entscheidung der Regierung, die Rechte der eingeborenen Völker nicht anzuerkennen", sagt Taffetani und zeigt sich überzeugt, dass diese neue juristische Offensive des Staates "mit dem extraktivistischen Wirtschaftsmodell zu tun hat, für die die indigenen Gemeinden ein Hindernis darstellen."