Abschiebungen aus den USA nach Lateinamerika entwickeln sich zur Kraftprobe

Heftige Konfrontation zwischen Regierungen von Kolumbien und USA. Trumps Vergeltung. Petro: "Ich reiche weißen Sklavenhaltern keine Hand"

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Die Präsidentenmaschine Fuerza Aérea Colombiana 0001 soll Ausgewiesene nach Kolumbien bringen
Die Präsidentenmaschine Fuerza Aérea Colombiana 0001 soll Ausgewiesene nach Kolumbien bringen

Bogotá/Washington. Erste massenhafte Abschiebungen aus den USA nach Lateinamerika haben heftige Reaktionen von Verantwortlichen in den betroffenen Ländern ausgelöst.

Kolumbien wies am Wochenende zwei US-Flugzeuge mit 160 ausgewiesenen Landsleuten an Bord ab. Die Regierung von Präsident Gustavo Petro akzeptierte den Transport mit Militärmaschinen und die Fesselung der Deportierten nicht.

Am gestrigen Montag hat Kolumbiens Außenminister Gilberto Murillo bekanntgegeben, dass die 160 Landsleute, die aus den USA deportiert werden sollten, nun mit der Präsidentenmaschine Petros befördert werden. Kolumbien werde seine Mitbürger "unter würdigen Bedingungen empfangen". Zugleich kündigte Murillo an, dass er und Botschafter Daniel García-Peña "in den nächsten Stunden" nach Washington reisen würden, um dort "Gespräche auf hochrangiger Ebene" zu führen und Vereinbarungen über das weitere Procedere bei den Abschiebungen zu treffen.

Nach sofortigen Sanktionsdrohungen seitens der USA richtete Petro eine ausführliche öffentliche Stellungnahme an US-Präsident Donald Trump, um die strittigen Punkte aus der Sicht Kolumbiens darzustellen. Washington hatte zuvor Kolumbien der Nichteinhaltung von Verpflichtungen bezichtigt. Während die US-Regierung für sich reklamiert, sich mit ihren brachialen Drohungen durchgesetzt zu haben, ergeben mit dem Konflikt verbundene Signale aus Kolumbien, Brasilien, Mexiko und Honduras ein differenziertes Bild.

Nach der Zurückweisung von zwei Rückführungsflügen kündigte Trump sofort eine harte Vergeltung an. Dazu gehörten Zölle von 25 Prozent auf kolumbianische Waren und die Aussetzung von Visa für kolumbianische Regierungsmitglieder und Beamte. Petro ordnete daraufhin Zölle in gleicher Höhe auf Importe aus den USA an und versicherte: "Amerikanische Produkte, deren Preise in der nationalen Wirtschaft steigen werden, müssen durch einheimische Produktion ersetzt werden, und die Regierung wird dabei helfen".

Trump ergänzte zu seinem Vorgehen, dass "diese Maßnahmen erst der Anfang sind. Wir werden der kolumbianischen Regierung nicht erlauben, ihre rechtlichen Verpflichtungen in Bezug auf die Aufnahme und Rückführung von Kriminellen" zu verletzen.

Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, erklärte indes am Sonntag in einer Stellungnahme, dass "die kolumbianische Regierung allen Bedingungen von Präsident Trump zugestimmt hat, einschließlich der uneingeschränkten Aufnahme aller illegalen Einwanderer aus Kolumbien, die aus den USA zurückgeführt werden, auch in Militärflugzeugen der USA, ohne Einschränkung oder Verzögerung".

Leavitt deutete an, dass die Zollanordnungen "in Reserve gehalten und nicht unterzeichnet" würden. Trump werde jedoch die Visabeschränkungen für kolumbianische Regierungsbeamte und die verstärkten Zollkontrollen von Waren aus dem Land aufrechterhalten, "bis das erste Flugzeug mit kolumbianischen Deportierten erfolgreich zurückgebracht wurde".

Quellen aus dem Umfeld der Regierung Petro erklärten, dass die USA bei den Abschiebeflügen kein "ordentliches Verfahren" eingehalten hätten. Der Präsident betonte, dass die Migranten "Menschen und Rechtssubjekte sind und als solche behandelt werden müssen". Er könne nicht zulassen, dass seine Landsleute in einem Land blieben, das sie nicht wolle. Aber wenn sie zurückgeschickt würden, müssten sie "mit Würde und Respekt behandelt werden, sowohl ihnen gegenüber als auch gegenüber unserem Land", so Petro in seiner Botschaft auf X.

Im Zusammenhang mit der Kritik an der Behandlung von ausgewiesenen Kolumbianern wies Petro in einer weiteren Nachricht auf X darauf hin, dass mehr als 15.000 US-Amerikaner ohne Papiere in Kolumbien sich an die Einwanderungsbehörde wenden sollten, um ihre Situation zu regeln.

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Mit heftigen Worten kritisierte er zudem den US-Präsidenten und versicherte, dass er sich nicht einschüchtern lassen werde. Er betonte die reiche Geschichte und Kultur Kolumbiens und erinnerte an den Kampf des Landes für Unabhängigkeit und Freiheit. Zu dieser Geschichte gehörten auch die "schwarzen Widerstandskämpfer, die von Ihnen zu Sklaven gemacht wurden".

"Kolumbien ist das Herz der Welt", sagte Petro, und "wir werden uns niemals unterwerfen. Wir sind Erbauer von Freiheit, Leben und Menschlichkeit". Er kündigte an, dass sich Kolumbien der Welt weit öffnen und sich nicht isolieren lassen werde.

Kolumbiens Präsident erinnerte Trump auch an den Kampf der lateinamerikanischen Völker für Freiheit und Gerechtigkeit und erwähnte Persönlichkeiten wie Simón Bolívar und Jorge Eliécer Gaitán.

Petro erklärte, dass er anstelle von Konfrontation eine Lösung bevorzuge, die auf Respekt und Menschenwürde basiere, um Differenzen zwischen Ländern beizulegen. Jedoch: "Wenn sie uns im Norden nicht wollen, muss sich der Süden vereinen", forderte der Präsident die Länder der Region auf. Er regte eine außerordentliche Versammlung der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac) an, um die Situation zu untersuchen.

Kurz darauf kündigte die honduranische Präsidentin und amtierende Vorsitzende der Celac, Xiomara Castro, für Donnerstag eine Dringlichkeitssitzung der lateinamerikanischen Staats- und Regierungschefs an, auf der Themen im Zusammenhang mit Migration und der Einheit Lateinamerikas und der Karibik erörtert werden sollen. Castro erklärte erneut, dass sie die Schließung von US-Militärstützpunkten in Honduras in Betracht ziehen werde, falls der US-Präsident seine Pläne für Massendeportationen weiterverfolge.

Bereits vor Trumps Amtseinführung hatten Brasilien, Mexiko und weitere betroffene Länder ihre "große Besorgnis" über die Ankündigung der Massendeportationen aus den USA zum Ausdruck gebracht, die sie als unvereinbar mit den Menschenrechten betrachten würden.

Die Regierung von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva kündigte an, dass sie die Trump-Regierung um eine Erklärung für die "erniedrigende Behandlung" der Abgeschobenen bitten werde. Sie kritisierte "missbräuchliche Praktiken auf Abschiebeflügen".

Im eigenen Land erhielt Petro für seine Politik gegenüber Washington unterschiedliche Reaktionen. Der ehemalige Präsident Ernesto Samper (1994–1998) stimmte Petro zu und erklärte, dass Trumps Behandlung von Migranten "unmenschlich und würdelos" sei. Der ehemalige Präsident Iván Duque (2018–2022) kritisierte Petro und sagte, dass die Abweisung der Flugzeuge ein "Akt enormer Verantwortungslosigkeit" sei, der das Land und seine Bürger teuer zu stehen kommen werde.

Für die kolumbianische Wirtschaft sind Exporte in die USA von grundlegender Bedeutung, da sie fast ein Viertel der Gesamtexporte ausmachen. Der Großteil davon entfällt auf Öl, Kaffee und Blumen. Die Abhängigkeit vom Export von Grunderzeugnissen ist ein anhaltendes Erbe der ungleichen Entwicklung, bei der im globalen Norden durch Veredelungsprozesse die großen Gewinnspannen und technologischer Vorsprung verbleiben.