Argentinien / Politik

Argentinien: Reform der Bundespolizei sorgt für Kritik

Schritte zum Autoritarismus befürchtet. Umstrukturierung nach Vorbild des FBI. Zunehmend Festnahmen wegen Meinungsäußerung

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Kritiker befürchten in der Polizeireform weitere Schritte zum Autoritarismus in Argentinien
Kritiker befürchten in der Polizeireform weitere Schritte zum Autoritarismus in Argentinien

Buenos Aires. Die Regierung von Javier Milei hat in Argentinien ein Dekret zur Reform der Bundespolizei (Policía Federal) veröffentlicht. Es soll die Aufgaben und Zuständigkeiten der Polizeibehörde verbessern und modernisieren und so für mehr Sicherheit sorgen. Kritiker sehen darin einen weiteren Schritt in Richtung eines autoritären Staates, der sich in eine Reihe ähnlicher Maßnahmen einfügt.

Die Behörde soll sich offiziell am Vorbild des US-amerikanischen FBI orientieren. Einerseits geht es um die Spezialisierung auf komplexe Verbrechen und organisierte Kriminalität, wozu die Unterabteilung DFI (Dirección Federal de Investigaciones) geschaffen wird. Andererseits erhält die Polizei zusätzliche Befugnisse, die laut Kritikern die bürgerlichen Rechte untergraben. Kritisiert werden unter anderem die Durchsuchung sozialer Medien, digitale Überwachung, Festnahmen und Hausdurchsuchungen ohne richterliche Anordnung sowie eine Verlängerung der Untersuchungshaft bis zur Vorführung vor dem Haftrichter. Beobachter fühlen sich an die berüchtigten Polizei-Edikte erinnert, die 1959 eingeführt und erst ab 1991 schrittweise abgeschafft wurden.

Claudio Pandolfi, Professor an der Universität von Lanús, erklärte in einem Interview mit Página12, dass dies eigentlich nichts Neues sei, da die Polizei mangels Kontrolle durch die Justiz bereits seit Jahren so handle. Auch Organisationen wie der CELS weisen darauf hin, dass diese gängigen Praktiken gegen Urteile des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte verstoßen würden.

Die Menschenrechtsorganisation CPM (Comisión Provincial por la Memoria) kritisierte das Regelwerk ebenfalls und bezeichnete es als "konfus und anfällig für Eigeninterpretationen durch die Sicherheitskräfte". Dies sei besonders gefährlich, "in einem Umfeld, in dem repressive Maßnahmen und politische Verfolgung zunehmen". Roberto Cipriano García, Jurist und Vorsitzender der CPM, nannte das Dekret zudem verfassungswidrig in seiner Entstehung und stimmte mit anderen Kritikern überein, dass es bereits gängige Praktiken legitimieren solle. Es bedeute auch einen Bruch mit den Rechten der Provinzen und deren Behörden.

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Bereits im vergangenen Jahr hatte Sicherheitsministerin Patricia Bullrich eine weitere umstrittene Maßnahme eingeführt, die den Sicherheitskräften präventive Internet-Patrouillen ermöglichte. Diese Befugnisse werden im aktuellen Dekret noch ausgeweitet.

Mit der Zunahme der Proteste gegen die Regierung Mileis nehmen auch die repressiven Maßnahmen zu. Jeden Mittwoch protestieren Rentner gegen die Rentenkürzungen, regelmäßig kommt es dabei zu Polizeigewalt. Immer häufiger werden Menschen wegen politischer Aktivitäten festgenommen. Nachdem vor wenigen Wochen Juan Grabois kurzzeitig festgenommen wurde (amerika21 berichtete), nahm die Polizei vorletzte Woche zwei politische Aktivisten in der Provinz Santa Fe fest, weil sie politische Propaganda gegen die Regierung verbreitet hatten. Nach Protesten ließ die Justiz sie rasch wieder frei.

Anders verlief der Fall einer in Buenos Aires festgenommenen Person. Richterin Sandra Arroyo Salgado ordnete ihre Unterbringung in einem Hochsicherheitsgefängnis an. Der Vorwurf: sie hatte ein Transparent vor dem Haus des Abgeordneten Javier Espert von Mileis Partei aufgehängt und Hundekot vor dessen Tür geworfen. Laut Verteidigung handelt es sich höchstens um eine Ordnungswidrigkeit, keinesfalls um ein Verbrechen, das eine Inhaftierung in einem Hochsicherheitsgefängnis rechtfertige.

Auch zahlreiche Teilnehmende der jüngsten Massenproteste zur Unterstützung der Ex-Präsidentin Cristina Kirchner wurden überwacht. Am Tag der Kundgebung stoppten Sicherheitskräfte viele Busse auf dem Weg in die Hauptstadt, durchsuchten sie nach mutmaßlichen Demonstrierenden, registrierten deren Identität, kopierten Ausweise und hielten einige Personen stundenlang fest. Der Abgeordnete der Unión Cívica Radical, Leopoldo Moreau, reichte deshalb eine Klage gegen Sicherheitsministerin Bullrich ein – wegen Verstoßes gegen das nationale Geheimdienstgesetz.