Bogotá. Mitglieder aus dem ganzen Land der Asociación Nacional de Recicladores (Nationaler Verband der Recycler) haben die zentrale Plaza de Bolívar in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá in ein Meer aus recycelbarem Müll verwandelt. Sie kippten 15 Tonnen Abfall in der Nacht auf den Platz und schockierten damit am Morgen die Passant:innen.
Ziel der Aktion war es, auf die schwierigen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Müllsammler:innen (Recicladores) aufmerksam zu machen. Sie sammeln täglich auf der Straße mehrere Tonnen an PET-Kunststoffen, Karton, Glas oder Aluminium, um sie an Sammelstellen weiterzuverkaufen. Dazu durchsuchen sie Mülltüten vor den Türen privater Haushalte, von Gaststätten und Handwerksbetrieben. Sie transportieren den Müll mit selbstgebauten Schubkarren, ziehen ihn in Kisten hinter sich her oder tragen ihn auf dem Rücken. In Kolumbien wird nur in wenigen Haushalten der Müll getrennt. Dazu kommt, dass zum Beispiel gebrauchtes Toilettenpapier nicht in die Toilette, sondern in den Müll geworfen wird, sodass die Recicladores einem hohen Krankheitsrisiko ausgesetzt sind. Viele von ihnen müssen ihre Kinder beim Müllsammeln mitnehmen, weil sie keine Betreuung finden. Ein Großteil lebt in extremer Armut.
Hinzu kommt, dass die Preise für Plastik in den vergangenen Monaten um rund 35 Prozent gefallen sind. Die Sammler:innen erhalten nur 1.000 Pesos (0,25 Euro) pro Kilogramm, was sie in existenzielle Not bringt.
Die Sprecherin der Vereinigung, Nora Padilla, erklärte, die niedrigen Preise erschwerten das Überleben Tausender Familien, insbesondere der rund 20.000 Recicladores allein in Bogotá. Trotz harter körperlicher Arbeit verdienen sie häufig weniger als den gesetzlichen Mindestlohn. Sie fordern von den Recyclingfabriken faire Preise für ihre gesammelten Materialien, eine verstärkte staatliche Unterstützung und soziale Absicherung wie Krankenversicherung und Renten.
Ein 66-jähriger Reciclador, Carlos Arturo Quintana, berichtete, dass er unter Hitze, Kälte und Verletzungsrisiko bis zu 15 Stunden täglich in den Straßen arbeite, oft "nass, von der Sonne verbrannt oder verletzt". Dennoch verdiene er kaum genug, um seine Familie zu ernähren.
Die Recicladores leisten einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz in Kolumbien. Ohne sie würden die Deponien noch schneller überquellen. Die Aktion sollte den Bürger:innen und der Regierung verdeutlichen, wie wertvoll ihre Arbeit ist.
Die Demonstration fand vor den bedeutendsten Institutionen der kolumbianischen Politik statt – umgeben vom Kongress, dem Obersten Gerichtshof und dem Regierungspalast Palacio de Nariño. Einige Protestierende inszenierten ein Plastikbad, indem sie symbolisch in den Flaschenbergen zwischen den Abfällen lagen oder darin schwammen.
Unmittelbar nach der Aktion kündigte die Stadtregierung von Bogotá an, in Kürze einen Dialog mit den Recicladores einzurichten.