Mexiko / Politik

PANAL: Mehrheitsbeschaffer unter Mexikos Parteien

Nach der Verhaftung von Gründerin Gordillo befindet sich die Partei in einem Übergangsprozess. Eine Einordnung der Nueva Alianza in das mexikanische Parteienspektrum

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Logo von El Partido Nueva Alianza PANAL
Logo von El Partido Nueva Alianza PANAL

"Wir sind die Partei, mit der alle anderen Parteien am liebsten zusammenarbeiten wollen", antwortete Luis Castro Obregón vor kurzem auf die Frage eines Journalisten nach dem Alleinstellungsmerkmal seiner Partei. Genauer hätte der Präsident der Nueva Alianza PANAL seine Partei dabei nicht charakterisieren können: Die PANAL blickt in nur sieben Jahren auf Regierungsbeteiligungen in 15 Bundesstaaten und Koalitionen mit neun verschiedenen Parteien zurück. Offensichtlicher Schwerpunkt der Gründungsjahre: schneller Machtgewinn vor politischer Identitätsbildung. Auf dem Papier handelt es sich bei der PANAL zwar um eine liberale Partei mit Fokus auf Demokratisierung, Bildung und Umweltschutz. Die Koalitionen mit Kräften aus dem rechtskonservativen und linksliberalen Spektrum haben allerdings verdeutlicht, dass das Programm der Partei äußerst flexibel an unterschiedlichen politischen Ausrichtungen angepasst werden kann.

Gegründet wurde die Partei 2005 durch die damalige Präsidentin der Lehrergewerkschaft SNTE, Elba Esther Gordillo. Gordillo hatte während ihrer Präsidentschaftszeit die undemokratischen und hierarchischen Entscheidungsstrukturen in der größten Gewerkschaft Lateinamerikas genutzt und sich durch ihre Politik der Vetternwirtschaft einen Namen gemacht 1. Die SNTE, ein Paradebeispiel für die in Mexiko allgegenwärtige Korruption, repräsentiert mehr als 1,4 Millionen Pädagogen und steht seit Jahrzehnten im Konflikt mit der CNTE, einer unabhängigen demokratischen Strömung innerhalb der Lehrer-Gewerkschaftsbewegung.  Die SNTE lehnt dabei die von der CNTE in Mexiko-Stadt begonnenen Proteste gegen die vor einem Monat von Präsident Enrique Peña Nieto verabschiedete Bildungsreform ab.

Neben ihrer Gewerkschaftsarbeit gehörte Gordillo jahrzehntelang der größten mexikanischen Partei, der Partido Revolucionario Institucional (PRI) an, deren Politik sie maßgeblich mitbestimmte. 2005 kam es jedoch, parallel zum Gründungsprozess der PANAL, zu Auseinandersetzungen innerhalb der PRI. Gordillo wurde mit der Begründung, die Arbeit der PRI von innen heraus zu sabotieren, aus der Partei ausgeschlossen

Im darauffolgenden Präsidentschaftswahlkampf 2006 organisierte Gordillo über ihre Gewerkschaft Stimmen für den größten Konkurrenten der PRI, Felipe Calderón, Kandidat der rechtskonservativen Partido Acción Nacional (PAN). Gleichzeitig stellte die PANAL mit Roberto Campa Cifrián einen eigenen linksliberalen Kandidaten auf, der als Gesicht der Partei fungieren sollte. Der Plan ging auf: Zwar konnte die PANAL nur gerade einmal ein Pronzent der Stimmen gewinnen, dabei jedoch Wähler aus dem linken Lager abziehen und einen Sieg des Kandidaten Andrés Manuel López Obrador verhindern. Bereits ein Jahr nach Gründung etablierte sich die PANAL im mexikanischen Parteiensystem somit als relevanter Mehrheitsbeschaffer.

Das System der Vetternwirtschaft und des politischen Opportunismus setzte Gordillo im weiteren Aufbau der PANAL kompromisslos fort: Während sie zusicherte, selber nicht Mitglied der Partei zu werden, besetzte sie Schlüsselpositionen mit Familienmitgliedern und politischen Verbündeten. In Wahlen auf Landesebene organisierte sie über die SNTE Unterstützung für Parteien, die der PANAL Koalitionen versprachen. Auf Bundesebene versuchte die Partei 2012 die Strategie des Wahlkampfes von 2006 zu wiederholen und stellte mit Gabriel Quadri de la Torre erneut einen linksliberalen Kandidaten auf. Dieser konnte mit 2,3 Prozent das Wahlergebnis von 2006 sowie die politische Stellung der Partei verbessern.

Im Gegensatz zu 2006 rief Gordillo 2012 über ihre Gewerkschaft jedoch wieder zur Wahl der PRI auf und unterstützte damit den rechten Kandidaten Enrique Paña Nieto. Dieser nahm die Stimmen dankbar an, gewann die Wahl und nutzte prompt seine neugewonnen Macht, um sich der unliebsamen Unterstützerin zu entledigen: Am 26. Februar 2013 wurde Gordillo an einem Hauptstadtflughafen von der mexikanischen Bundespolizei verhaftet und wegen Veruntreuung und organisiertem Verbrechen eingesperrt. Ihr wird vorgeworfen, der SNTE umgerechnet mehr als 110.000 Euro gestohlen zu haben.

Seit dem Verlust Gordillos befindet sich die PANAL in einem Übergangsprozess: Einerseits behält die Gründerin über ihren Enkelsohn Castro Obregón als Parteipräsident Einfluss auf die politische Ausrichtung der Gruppierung. Andererseits muss die Partei ohne den direkten Einfluss Gordillos über kurz oder lang eine eigene politische Identität entwickeln, die mehr als nur den bis jetzt praktizierten politischen Opportunismus anbietet. International stößt die Politik der Partei trotz umstrittener Geschichte und Politikverständnis auf Interesse: Im September 2013 nahmen Vertreter der Partei, unter ihnen auch Castro Obregón, an von der Friedrich Naumann-Stiftung Mexiko organisierten Gesprächen teil und erneuerten ihre Bereitschaft, die intensive Zusammenarbeit mit der FDP-nahen Stiftung in Mexiko fortzusetzen.

  • 1. Hernández Navarro, Luis (2012): Cerra en Conducta, S. 41