Mexiko. Nach dem Vorüberziehen der Tropenstürme "Ingrid" und "Manuel" ist die Lage in Mexikos Küstenregionen nach wie vor katastrophal. Schätzungen gehen von circa 100 Todesopfern aus, viele Personen werden noch vermisst. Über eine Million Menschen sollen von den durch die Wassermassen verursachten Schäden betroffen sein.
Die Stürme wüteten besonders in den Bundesstaaten Guerrero und Veracruz, aber auch andere Regionen wurden zum Teil verwüstet. Nach starken Regenfällen traten Flüsse über die Ufer, Häuser stürzten ein, Erdrutsche begruben ganze Dörfer. Noch immer sind wichtige Verkehrsrouten nicht befahrbar, was den Transport von Hilfsgütern in die Krisengebiete erheblich erschwert.
Die Situation im Urlaubsort Acapulco, wo zehntausende Menschen von der Außenwelt abgeschnitten wurden und es zu Lebensmittelknappheit und Plünderungen kam, bestimmte die Medienberichte der vergangenen Tage. Aufgrund der Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag befanden sich über das Wochenende besonders viele Touristen dort. Erst nach Errichten einer Luftbrücke konnten sie die Stadt verlassen.
Neben dem einseitigen Fokus der Berichterstattungen, kam Kritik an der Rettungspraxis der mexikanischen Regierung auf, Berichte über Ungleichbehandlungen je nach ökonomischem Status häuften sich. Doch vor allem auch abseits der Städte verursachten die Tropenstürme Leid und Zerstörung. In Oaxaca hinterließen die heftigen Regenfälle hunderte überschwemmte Häuser, machten ganze Dörfer unbewohnbar und zerstörten Straßen und Brücken. In den ohnehin ärmeren Regionen ist mit massiven Ernteeinbußen zu rechnen, das Trinkwasser und die Lebensmittel werden knapp.
Unterdessen nimmt die Kritik am Krisenmanagement der Regierung unter Präsident Enrique Peña Nieto zu. Zu spät habe dieser auf die schon recht früh vorliegenden Ankündigungen der Tropenstürme reagiert und die Bevölkerung nicht ausreichend über die Gefahren aufgeklärt. Das Ausmaß der Naturkatastrophe sei schon lange absehbar gewesen, so die Tageszeitung "La Jornada". Statt einen Plan zur Evakuierung der in den gefährdeten Gebieten Lebenden zu entwickeln, seien "wichtige menschliche und materielle Ressourcen" für die Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag und zum hundertjährigen Bestehen der Armee abgezogen worden, kritisierten Funktionäre, die nicht namentlich genannt werden wollten.
Das Unterschätzen der Gefahren habe auch dazu geführt, dass die Hilfeleistungen nicht effektiv koordiniert worden seien. Statt die direkte Hilfe für die Betroffenen zu forcieren, forderte die Regierung von der Bevölkerung Ruhe und ein höheres Maß an Kollaboration. Mexiko durchlebe eine Katastrophe historischen Ausmaßes, verursacht durch die beiden Tropenstürme, die nur drei von 32 Bundesstaaten unberührt gelassen hätten, so der Innenminister Osorio Chong.
Menschenrechtsorganisationen berichteten, dass die Hilfe vor allem die Städte erreiche, nicht jedoch die ländlichen Gebiete. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung gegenüber der Verteilung von Hilfsgütern durch die Regional- und Bundesregierungen macht sich nun das sogenannte Golfkartell zunutze. Seit Sonntag ist auf der Onlineplattform Youtube ein Video zu sehen, dass Angehörige des Drogenkartells zeigt, wie sie mehrere Tonnen Hilfsgüter im Bundesstaat Tamaulipas an die Betroffenen des Tropensturms "Ingrid" verteilen.