Chile / Politik

Verschwundene in Chile in Wahlregister eingetragen

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"Wo sind sie?" Logo der Angehörigengruppe AFDD
"Wo sind sie?" Logo der Angehörigengruppe AFDD

Santiago de Chile. Die Regierung von Sebastián Piñera soll etwa 1.000 während der Militärdiktatur verschwundene Personen in die Wahlregister für die Gemeindewahlen im Oktober dieses Jahr und die Präsidentschaftswahlen 2013 eingetragen haben lassen. Die chilenische Wahlbehörde erklärte dazu am Dienstag, dass dieser Personenkreis "rechtlich gesehen nicht tot ist" und deshalb entsprechend dem neuen Wahlgesetz, das eine automatisierte Einschreibung aller Wahlbrechtigten vorsieht, in das Register aufgenommen wurde. Als Verschwundene werden in Lateinamerika diejenigen Opfer von Festnahmen und Entführungen unter den Militärdiktaturen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bezeichnet, deren Verbleib ungeklärt blieb oder bis heute bleibt. Die meisten der Verschwundenen wurden kurz nach ihrer Festnahme undokumentiert getötet.

"Es sollte ein Minimum an Kriterium und Respekt geben. In Chile wissen wir, wer die Verhafteten-Verschwundenen sind. Es ist eine schändliche Situation", sagte Mireya García von der Angehörigengruppe Agrupación de Familiares de Detenidos Desaparecidos (AFDD). García, die unter der Pinochet-Diktatur selbst verhaftet und gefoltert worden war, beklagte außerdem die mangelnde Sorgfaltspflicht bei den staatlichen Behörden und wies darauf hin, dass viele derjenigen, die heute an der Macht sind, früher das Militärregime unterstützt haben.

Bekannt wurde der Vorfall einen Tag nachdem Präsident Piñera sich öffentlich für die Fehler seiner Regierung entschuldigt hatte. Seine Popularität ist laut aktuellen Umfragen auf 25 Prozent abgesackt.

Piñera, der noch während seiner Wahlkampagne 2009 mit hunderten Militärs zusammengetroffen war, die wegen Menschenrechtsverletzungen angeklagt waren, hat sich zu der Eintragung von Opfern der Diktatur in Wahlregister bisher nicht geäußert.

In Chile wurden nach offiziellen Angaben von Anfang der 90er Jahre unter der Diktatur etwa 2.000 Menschen ermordet, 1.000 verschwanden nach ihrer Festnahme. Weitere 30.000 chilenische Staatsbürger und Ausländer wurden gefoltert, darunter auch Kinder.