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USA wollen Einfluss in Mexikos Armee

Wikileaks und Lateinamerika: Washington verfolgt strategisches Projekt in südlichem Nachbarstaat. Konflikt mit militärischen Traditionalisten

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Emblem der mexikanischen Armee: Umriss eines Soldaten vor der Landesfahne
Emblem der mexikanischen Armee: Streitkräfte Befinden sich im Visier der USA

Mexiko-Stadt. Die Internetplattform Wikileaks ist im Besitz von 2.625 Dokumenten, die von der US-Botschaft bzw. den US-Konsulaten aus Mexiko nach Washington geschickt wurden. Von den sechs bislang veröffentlichten Depeschen aus der Zeit von Oktober 2009 bis Februar 2010 befassen sich vier mit der militärischen Zusammenarbeit zwischen Mexiko und den USA. Kaum überraschend bildet dabei der "Drogenkrieg" den wichtigsten Referenzpunkt für die US-Diplomatie. Doch neben der Sorge um das Scheitern dieses Vorhabens, wird aus den Berichten deutlich, worum es im Kern der Sache geht: um die vom Pentagon konzipierte "Schaffung von Streitkräften des 21. Jahrhunderts in einer der führenden Demokratien in der Region". Wichtigstes Instrument dabei ist eine bilaterale Arbeitsgruppe beider Verteidigungsministerien, die am 1. Februar 2010 ihre Arbeit aufnahm.

Zu den notwendigen Schritten zählt der stellvertretende Botschafter John D. Feeley in einem Bericht vom Januar dieses Jahres "eine stärkere Beachtung der Menschenrechte und eine breitere regionale Beteiligung."

Angesichts der Menschrechtsverletzungen in Guantánamo, in Irak und Afghanistan klingt der erste Punkt aus der Feder eines US-Diplomaten zwar merkwürdig, mag aber mit Blick auf den von den USA erkannten fehlenden gesellschaftlichen Rückhalt der mexikanischen Armee tatsächlich ernst gemeint sein. So beklagt Feeley, dass in Mexiko nicht einmal der Oberste Gerichtshof Einfluss auf die Rechtssprechung der Militärgerichte hat, egal, ob es sich um ein militärisches oder ein ziviles Vergehen der Armee handelt.

Im zweiten Punkt der Botschaftsdepesche drängen die USA auf eine stärkere regionale Präsenz. Dahinter steckt auch das Konzept "humanitärer Operationen" wie in Haiti. Das Streben des mexikanischen Militärs nach Erhalt seiner institutionellen Unabhängigkeit ist den US-Diplomaten dabei ein Dorn im Auge.

Dass sich das mexikanische Militär an einem historischen Scheideweg befindet, wurde kürzlich von Politikwissenschaftler Abelardo Rodríguez Sumano (Universität von Guadalajara) beschrieben. Einerseits ist das Militär das Machtzentrum der mexikanischen Institutionen, das unter anderem Felipe Calderón nach seinem Wahlbetrug im Jahr 2006 "physisch" zur Macht verhalf, indem es ihn inmitten der Massenproteste zum Präsidentenpalast eskortierte. Andererseits passt der immense und archaisch anmutende Militärapparat Mexikos nicht mehr in die neoliberale Landschaft.

So wird der mexikanische Verteidigungsminister, General Guillermo Galvan Galvan, im Dossier der US-Botschaft vom 29. Januar 2010 als "politischer Akteur“ bezeichnet. Es sei Galvan gelungen, zumindest teilweise die Privilegien und die symbolische Rolle des Militärs zu beschützen. Feeley schreibt weiter: "Historisch war das Misstrauen gegenüber den Vereinigten Staaten die wichtigste Quelle einer bürokratischen Kultur, die das Verteidigungsministerium (Mexikos) uns gegenüber verschlossen gehalten hat." Die 1,4 Milliarden US-Dollar, die im Rahmen der "Mérida-Initiative" zur Modernisierung des mexikanischen Militärs haben maßgeblich zum Ziel, die Vorbehalte abzubauen.