Streit um neues Agrargesetz in Bolivien

Ziel der Regierung ist die Ernährungssicherheit. Soziale Bewegungen kritisieren Erleichterung des Anbaus gentechnisch manipulierter Pflanzen

soja_bolivien.jpg

Sojaanbau in Santa Cruz, Bolivien
Sojafeld in Santa Cruz, Bolivien

La Paz. Die bolivianische Regierung will die Lebensmittelsicherheit verbessern. Nach den Protesten gegen hohe Preise vom Anfang des Jahres unterzeichnete Präsident Evo Morales in der vergangenen Woche ein neues Agrargesetz, mit dem unter anderem die Abhängigkeit von ausländischen Konzernen verringert werden soll. Künftig sollen Staatsbetriebe Saatgut und Düngemittel herstellen.

In den kommenden zehn Jahren sollen fünf Milliarden US Dollar investiert werden. Das Geld soll insbesondere als Kredit an kleine Produzenten gehen, um eine "Lebensmittelrevolution" auszulösen. Da das Gesetz ihrer Ansicht nach gleichzeitig den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen erleichtert, protestieren die Verbände der Kleinbauern gegen einige der im Gesetz festgeschriebenen Artikel. Dies habe nichts mit dem Schutz der "Mutter Erde" zu tun, sagte der Vorsitzende des radikal-indigenen Verbandes Conamaq Rafael Quispe.

Das Mitte Juni von der Mehrheit des Parlaments angenommene Gesetz sei keineswegs, wie die Regierung behauptet, durch einen offenen und demokratischen Diskurs zustande gekommen, heißt es aus den Reihen der Kleinbauernverbände. Zwar seien einige der im Gesetz festgeschriebenen Neuerungen wie die Förderung traditioneller nationaler Pflanzen und der biologischen Landwirtschaft sowie einer Saatgutbank aus der Diskussion der sozialen Bewegungen erwachsen und nun auch ins Gesetz aufgenommen worden. Die Verbände sehen aber in Vorschriften zu Produktion, Import und Marketing von gentechnisch veränderten Produkten im neuen Gesetz ein Einfallstor für die Förderung der "grünen Gentechnik", gegen die sich die Regierung bisher immer gewehrt hat. Deswegen hatten sie den Präsidenten aufgefordert, das Gesetz nicht zu unterzeichnen. Die Regierung ihrerseits interpretiert das neue Gesetz als einen Schutz gegen genmanipulierte Pflanzen und die Förderung der Biodiversität sowie traditioneller Pflanzen wie Quinoa sowie andere Getreide- und Kartoffelsorten.

Derzeit ist in Bolivien der Anbau genmanipulierter Pflanzen auf Soja beschränkt, das auf mehr als einer Million Hektar Land angebaut wird. In den vergangenen Jahren sei die Anbaufläche von zunächst 8.000 Hektar auf heute 1,2 Millionen angestiegen, berichtete vergangene Woche Demetrio Pérez vom Verband der Ölsaatenerzeuger Boliviens (Anapo). 90 Prozent dieser Pflanzen sind nach seinen Angaben genmanipuliert. Zwar sei der biologische Sojaanbau attraktiv, die klimatischen Bedingungen ließen ihn aber nicht zu, so Perez. Mehr als zwei Drittel der Sojaproduktion Boliviens werden ins Ausland exportiert, im Land selbst verbleiben nur 30 Prozent.