Venezuela / Politik

Venezuela streitet über Korruptionsbekämpfung

OAS-Menschenrechtsgerichtshof gibt oppositionellem Politiker Recht. Regierung sieht politisches Urteil und Behinderung im Kampf gegen Korruption

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Leopoldo López vor Medien
Freut sich über das CIDH-Urteil: Leopoldo López

Caracas. Nach einem Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte (CIDH) ist in Venezuela eine Debatte über die Bekämpfung der Korruption entbrannt. Der CIDH hatte am Donnerstag eine Entscheidung vom 1. September bekannt gegeben, in der er dem oppositionellen Politiker Leopoldo López recht gab, der vor dem CIDH geklagt hatte. Im August 2008 hatte der damalige Oberste Rechnungsprüfer Venezuelas, Clodosbaldo Russián, dem ehemaligen Bürgermeister eines Bezirks von Caracas wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder in zwei Fällen das passive Wahlrecht entzogen. Dieser administrative Vorgang habe das Recht des Klägers verletzt, gewählt zu werden, urteilte der Gerichtshof. Nach der Interamerikanischen Menschenrechtskonvention (Artikel 23.2) könne lediglich ein ordentliches Gericht in einem Strafprozess solche Sanktionen verhängen, nicht aber ein administratives Verfahren. Venezuela wird deshalb aufgefordert, López wieder bei Wahlen antreten zu lassen und die eigene Gesetzgebung dahingehend zu überarbeiten, dass vergleichbare Fälle in Zukunft vermieden werden. Das Urteil befasste sich allerdings nicht mit der Frage, ob die Korruptionsvorwürfe gegen López zutreffend sind, oder nicht.

Hintergrund war ein 2005 durch Russián angestrengtes Verfahren gegen insgesamt 428 Personen. 386 von ihnen wurden aufgrund ihrer Vergehen gerügt, darunter auch Leopoldo López. Die Liste wurde später auf 272 Namen chavistischer wie oppositioneller Politiker reduziert, die ab August 2008 für bis zu 15 Jahre von der Ausübung von und Kandidatur für öffentliche Ämter ausgeschlossen wurden. Das aktive Wahlrecht behielten sie. Im konkreten Fall wurde López wegen zwei Vergehen bis zum Jahr 2014 ausgeschlossen. 1996, als er beim staatlichen Erdölunternehmen PDVSA arbeitete, hatte dieses umgerechnet 160.000 US-Dollar an einen Verein des Politikers gespendet. Als Empfängerin fungierte dabei seine Mutter, die ebenfalls bei PDVSA arbeitete. Aus dem Verein ging später die Partei Primero Justicia (PJ) hervor, aus der López allerdings inzwischen aufgrund interner Streitigkeiten ausgeschlossen wurde. Ein zweiter Fall bezieht sich auf das Jahr 2004, als López Bürgermeister von Chacao, einem wohlhabenden Stadtteil in Caracas, war. Während seiner Regierungszeit soll er öffentliche Gelder veruntreut haben.

"Die Gerechtigkeit, die ich so sehr gesucht habe und in meinem Land nicht finden konnte, habe ich endlich beim höchsten Gericht des amerikanischen Kontinents vor unparteiischen Richtern erhalten", erklärte der betroffene Politiker nach Verkündung des Urteils schriftlich. "Unsere Argumente waren solide und stark, das Gericht erkannte sie an und hat die Verantwortlichkeit des venezolanischen Staates festgestellt", so López. Die im "Tisch der demokratischen Einheit" (MUD) zusammengeschlossenen Oppositionsparteien begrüßten das Urteil und forderten die Regierung auf, es auch umzusetzen.

Die venezolanische Regierung hingegen kündigte an, das Urteil zunächst zu prüfen. In einem Comuniqué verurteilte das Außenministerium die Entscheidung dann als "politisch voreingenommen". Durch diese Art von Urteilen stimuliere man "Fälle von Korruption, nicht nur in Venezuela, sondern in jedem Land der Welt". Niemand dürfe in Venezuela die Freiheit haben, gegen Gesetze zu verstoßen, nur weil er zur Opposition gehöre, so das Ministerium. Man werde nun eine erneute Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von Venezuela abwarten. Dieser hatte schon 2008 das Verfahren als verfassungsgemäß beurteilt. Die Medien rief Außenminister Nicolás Maduro auf, die Vorwürfe gegen López zu untersuchen. "Ihr selbst habt die Verbrechen verschleiert, die dieser Herr begangen hat", so Maduro.

Auch der Präsident Venezuelas, Hugo Chávez, wies die Vorwürfe des CIDH zurück. "Dieser Gerichtshof schützt die Flüchtigen, die Korrupten, Diktatoren, geflohene Banker", erklärte Chávez am Samstag. Er sei "nichts Wert" und man müsse daran arbeiten, Menschenrechtsgerichtshöfe in den neuen Strukturen in Lateinamerika zu etablieren. Institutionen wie Unasur, die Bank des Südens und der Rat für Soziale Entwicklung müssten eine "unparteiische Instanz" erhalten, um die Menschenrechte zu verteidigen und eine neue Institutionalität zu etablieren, so Chávez. Auch die Generalstaatsanwaltschaft, die Ombudsfrau für Menschenrechte, der Generalprokurator und die Behörde für Rechnungsprüfung wiesen das Urteil zurück.

Gleichzeitig kritisierte Chávez, dass sich der CIDH bis heute nicht zum Putsch vom April 2002 geäußert habe. Man habe um Schutzmaßnahmen gebeten, als er sich in Gefangenschaft der Putschisten befand, aber bis heute keine Antwort erhalten. Auch Leopoldo López hatte sich 2002 aktiv an dem Putsch beteiligt und unter anderem an der Festnahme des Innenministers Ramón Rodríguez Chacín teilgenommen. Das Verfahren wegen seiner Beteiligung wurde jedoch Ende 2007 eingestellt, nachdem Hugo Chávez eine Amnestie für einen Großteil der Putschisten unterzeichnet hatte.

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