Venezolanisches Parlament stärkt Rechte der Mieter

Neues Gesetz stellt Rechte der Mieter ins Zentrum. Hausbesitzer und Medien sehen Ende des Mieteigentums. Unterstützung von Basisorganisationen

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Aktivisten bei der Übergabe von Unterschriften für ein neues Mietrecht
Basisinitiative erfolgreich: Aktivisten bei der Übergabe von 413.000 Unterschriften für ein neues Mietrecht (März 2011)

Caracas. Venezuela bekommt ein neues Mietrecht. Nach monatelangen Diskussionen hat am Donnerstag die Regierungsmehrheit in der

venezolanischen Nationalversammlung einem Gesetz zugestimmt, das im März von Basisorganisationen und mit der Unterstützung von über 400.000 Unterschriften auf den Weg gebracht worden war. Demnach soll unter anderem eine Nationale Aufsichtsbehörde für die Vermietung von Wohnungen eingerichtet werden, welche den Mietmarkt reguliert und überwacht. Ziel ist es, einen "verantwortlichen" Umgang mit der Vermietung von Wohnraum und das Recht auf eine würdige Wohnung zu garantieren, heißt es im Gesetz. Die Aufsichtsbehörde ist dafür zuständig, einen gerechten Mietpreis zu etablieren, der "im Wesentlichen" die Kosten zur Instandhaltung des Wohnraums decken soll. Dieser darf im Jahr nicht fünf Prozent des Werts der Immobilie übersteigen. Mieter, die mindestens 20 Jahre in derselben Wohnung leben, erhalten ein Kaufrecht. Das neue Gesetz stellt damit eine klare Stärkung der Position der Mieter gegenüber den Besitzern von Wohnraum dar. Nach offiziellen Angaben leben in Venezuela etwa 750.000 Familien zur Miete.

Ein neu geschaffener Fonds soll außerdem Kredite an Mieter und "kleine Vermieter" vergeben, die in geringem Umfang und "zu gerechten Preisen und Bedingungen" Wohnraum anbieten, um den Wohnraum zu verbessern. Das Gesetz grenzt "kleine Vermieter" gegen "spekulative und ausbeuterische" Formen der Vermietung in großem Maßstab ab, welche es zu bekämpfen gelte. Erstere verdienten Schutz und Unterstützung des Staates, so der Gesetzestext. Darüber hinaus etabliert das Gesetz klare Regelungen für die Zwangsräumung säumiger Mieter mit dem Ziel, willkürliche Räumungen zu verhindern. Im Mai hatte der Präsident Venezuelas, Hugo Chávez, per Dekret vorübergehend alle Zwangsräumungen ausgesetzt.

Die im Tisch der Demokratischen Einheit (MUD) zusammengeschlossenen Parteien der Opposition verurteilten das neue Mietrecht erwartungsgemäß. Das Parlament habe ein Gesetz verabschiedet, welches die Mieten "begrabe" und gegen das Privateigentum verstoße, sagte der Abgeordnete César Rincones. Im selben Ton zeichneten Vereinigungen von Hauseigentümern und oppositionelle Medien ein dramatisches Bild. "Dieses Gesetz schafft ein System, das allein einer Gruppe der heutigen Mieter nutzt", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Venezolanischen Immobilienkammer (CIV), der Vereinigung der Besitzer Urbaner Immobilien (APIUR) und anderer Eigentümerorganisationen. Niemand werde in Zukunft in neues Mieteigentum investieren. "Das ist der Tod der Miete und der Untergang des Privateigentums." Roberto Orta, Präsident von APIUR, kündigte unterdessen an, juristisch gegen das "schädliche" Gesetz vorzugehen. Man werde vor dem Obersten Gerichtshof die Nichtigkeit des Gesetzes beantragen und notfalls vor internationale Instanzen ziehen, so Orta.

Freude und Erleichterung sind hingegen auf Seiten der Regierung und der Basisbewegungen zu beobachten, welche die Gesetzesinitiative angestoßen hatten. "Wir sind unglaublich glücklich", sagte die Sprecherin der Vereinigung Bolivarischer Mieter, Maglene Sierralta. "Dieses Gesetz ist das Ergebnis eines Kampfes, den wir seit 2005 führen." Die Organisation hatte an der Ausarbeitung des Gesetzes mitgearbeitet. Der Abgeordnete der Regierungspartei PSUV, Diosdado Cabello, stellte fest, dass es nun "klare Spielregeln" gibt. "Jetzt weiß der Vermieter, woran er sich halten muss. Aber auch der Mieter weiß, wonach er sich richten muss, denn dieses Gesetz ist kein Gesetz, um betrügerische Mieter zu bevorzugen", sagte Cabello, der wesentlich an der Ausarbeitung mitgewirkt hat. Auch Präsident Chávez begrüßte die Verabschiedung durch das Parlament und kündigte eine zügige Unterzeichnung an.