Guatemala-Stadt. Am vergangenen Mittwoch demonstrierten vor dem Obersten Gerichtshof Guatemalas rund 300 Angehörige der indigenen Bevölkerungsmehrheit
des kleinen, zentralamerikanischen Landes. Sie fordern Gerechtigkeit für die Gräueltaten, die während der Militärdiktatur von Soldaten und Milizen an Maya-Gemeinden begangen wurden. Auch Juana Sánchez Tom aus der Gemeinde San Juan Cotzal in der Hochlandprovinz Quiché ist dabei. Sie schildert den Angriff des Militärs auf ihr Dorf vor fast genau dreißig Jahren: "Am 19. April 1982 sind Soldaten in unser Dorf eingefallen. Sie haben mich in die Kirche verschleppt und dort mich und viele weitere Frauen vergewaltigt." Viele Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner seien an diesem Tag massakriert oder verschleppt worden. Die Soldaten hätten die gesamte Ernte und viele Häuser niedergebrannt. Juana muss auch nach dreißig Jahren noch mit den Tränen ringen: "Warum haben sie das getan? Wir hatten keine Waffen, wir waren arm, wie hatten gar nichts. Wir sind doch nur einfache Bauern."
Anfang der achtziger Jahre überzogen die Militärs das Land mit einer Politik der verbrannten Erde. Die Armee löschte ganze Maya-Dörfer im Hochland des zentralamerikanischen Landes aus, weil sie die Indígenas verdächtigten, die Guerilla zu unterstützen. Anhand von Juana Sánchez' Dorf San Juan Cotzal und zwei Nachbargemeinden im sogenannten Ixil-Dreieck, im Departement Quiché, versucht die Staatsanwaltschaft heute dem ehemaligen Juntachef José Efraín Ríos Montt den Tatbestand des Völkermordes nachzuweisen.
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Francisco Soto vom Menschenrechtszentrum CALDH, das die Hinterbliebenen als Nebenkläger vertritt, fasst die Begründung der Anklage zusammen. Ríos Montt habe als Präsident der Republik und oberster Armeechef die Verantwortung für die sogenannte Aufstandsbekämpfungspolitik gehabt. Dokumente und Aussagen von ehemaligen Offizieren belegten, dass Ríos Montt über die Truppenbewegungen informiert war und die blutigen Offensiven "Victoria '82" und "Firmeza '83" mit entworfen habe. "Ríos Montt ist somit einer der Erfinder dieser Politik, in deren Folge all diese Massaker begangen wurden."
Die juristische Aufbereitung des guatemaltekischen Völkermordes hat erst in den letzten Jahren entscheidende Fortschritte gemacht. 2011 sind mit den Generälen López Fuentes und Rodríguez Sánchez zwei hochrangige Vertreter der damaligen Militärjunta verhaftet worden und müssen sich vor Gericht verantworten, mit General Mendoza Garcia ist ein weiterer flüchtig. Efraín Ríos Montt genoss dagegen als Abgeordneter und sogar Kongresspräsident über ein Jahrzehnt lang Immunität. Erst jetzt, nach dem Ende seiner politischen Laufbahn, ist eine Verfolgung des ehemaligen Juntachefs möglich.
Doch bis zu rechtskräftigen Verurteilungen ist es noch ein weiter Weg. Die Verteidigung der Generäle Rios Montt, López Fuentes und Rodríguez Sánchez sorgt durch Verfassungsbeschwerden und Befangenheitsanträge immer wieder für Verzögerungen des Prozessauftakts. Nur zwei Richter befassen sich in Guatemala überhaupt mit Anklagen dieser Schwere. Die erste Richterin konnten die Verteidiger bereits ausbooten, der aktuelle Richter, Miguel Ángel Gálvez stand am vergangenen Mittwoch auf der Abschussliste. Bis zur Bestellung eines neuen Richters wäre der Prozessbeginn für unbestimmte Zeit vertagt worden. Doch der Befangenheitsantrag der Verteidigung wurde am Mittwochnachmittag zurückgewiesen.