Kolumbien: Senat stärkt die Militärjustiz

Militärgerichtshöfe werden über Verletzungen von Menschenrechten entscheiden. UNO und Internationaler Gerichtshof sprechen von Rückschritt

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Soldaten der kolumbianischen Armee
Soldaten der kolumbianischen Armee

Bogotá. Die Erste Senatskommission Kolumbiens hat eine Verfassungsänderung bewilligt, die die Gerichtshöfe des Militärs und der Polizei ermächtigt, Menschenrechtsverbrechen zu untersuchen und darüber zu urteilen. Bisher unterliegen diese der Zivilgerichtsbarkeit. Nun muss die geplante Reform in einer Plenarsitzung des Senats endgültig verabschiedet werden.

 "Die Reform bedeutet in Fragen der Menschenrechte in Kolumbien einen Rückschritt von 20 Jahren", urteilte das internationale Menschenrechtsnetzwerk OIDHACO. Auch die UNO hat sich gegen die Verfassungsänderung ausgesprochen. In einem bisher einmaligen Vorgang haben elf Berichterstatter der Vereinten Nationen die Regierung von Präsident Juan Manuel Santos und den kolumbianischen Kongress darum gebeten, die Reform zu überdenken.

Zwar legt die geplante Verfassungsänderung fest, dass die Befugnisse für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und zwangsweises Verschwindenlassen nicht bei den Militärgerichtshöfen liegen. Doch sieht die Reform vor, dass die Institutionen der Militär- und Polizeijustiz bestimmen, wann es sich um solche Verbrechen handelt, außerdem werden sie für die vorläufigen Untersuchungen zuständig sein.

Menschenrechtler beklagen, dass diese Bestimmung gegen das Prinzip einer unabhängigen Justiz verstößt. Außerdem werde eine lange Liste von Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen unter die Zuständigkeit der Militär- und Polizeigerichtsbarkeit fallen. Willkürlichen Festnahmen, grausame, unmenschliche oder entwürdigende Behandlung und andere kriminelle Akte würden von Militär- und Polizeigerichtshöfen untersucht und beurteilt. Sie wären auch berechtigt, Verbrechen von privaten Sicherheitsdiensten zu verhandeln.

Darüber hinaus befürchtet OIDHACO, dass die Fälle von "falsos positivos" – die Ermordung von Zivilisten durch die Armee, um die Leichen als im Kampf gefallene Rebellen zu präsentieren – in die Hände der Militärjustiz kommen werden. Es handelt sich dabei um circa 2.000 Morde, für die derzeit noch die Ziviljustiz zuständig ist. 

Die Berichterstatter der UNO wiesen darauf hin, dass der kolumbianische Staat für eine große Zahl von Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das Humanitäre Völkerrecht verantwortlich ist. Auch der Internationale Gerichtshof hat in einem Sonderbericht unlängst festgestellt, dass die "falsos positivos" Teil einer Staatspolitik sind, die seit den achtziger Jahren in Kolumbien verfolgt wird und ihren Höhepunkt während der letzten Jahrzehnte fand.

Vor diesem Hintergrund gehe die Erweiterung der Militärgerichtsbarkeit in die falsche Richtung, so die UNO. Die Reform werde eine Eskalation von Menschenrechtsverstößen auslösen und die Straflosigkeit stärken, ergänzte der Vertreter des linken Bündnisses "Marcha Patriótica", Carlos Lozano Guillén.